Börsen-Zeitung: Endspiel in Washington, Börsenkommentar "Marktplatz", von Dieter Kuckelkorn.
Geschrieben am 11-10-2013 |
Frankfurt (ots) - So wie es derzeit aussieht, werden der
amerikanischen Volkswirtschaft und den internationalen Finanzmärkten
im Rahmen des Streits um US-Haushalt und Schuldengrenze wohl die
schlimmsten Szenarien erspart bleiben. Denn mittlerweile hat sich der
Ton der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition
geändert, und es kündigt sich eine neue Beweglichkeit an. So scheint
sich sogar ein Teil der ultrakonservativen Tea-Party-Fraktion von der
Idee zu entfernen, über eine Haushaltsblockade die verhasste
Gesundheitsreform des Präsidenten ("Obamacare") zu Fall zu bringen.
In Washington hat in der Auseinandersetzung wohl das Endspiel
begonnen. Allerdings fehlt es trotz der in einer offenbar
konstruktiven Atmosphäre laufenden Gespräche noch an einer
tragfähigen Übereinkunft, und der US-Regierung und den Bundesbehörden
mangelt es weiterhin an den erforderlichen Haushaltsmitteln für ein
normales Funktionieren.
Aber selbst wenn sich die Positionen der beiden Parteien nicht
hinreichend schnell aufeinander zu bewegen und es nicht zu einer
rechtzeitigen Anhebung der Schuldengrenze kommt, wird aus Sicht der
Märkte noch nicht sofort die große weltweite Krise ausbrechen. Diese
Einschätzung ist auch der Grund dafür, dass starke negative
Reaktionen an den Märkten bislang ausgeblieben sind. Es dominiert die
positive Sichtweise: So hat am Donnerstag Wall Street erste Hinweise
auf Kompromissbereitschaft gleich mit einer Rally quittiert: Der
Standard&Poor's500 (S&P500) zog um immerhin 2% an, der Dow Jones um
2,2%.
In dem Fall, dass sich die Gespräche unerwartet lange hinziehen,
wäre laut Berechnungen der US-Regierung am 17. Oktober die
Schuldengrenze erreicht. Dann würde das US-Finanzministerium noch
über eine Reserve von etwas 30 Mrd. Dollar verfügen. Diese dürften
noch bis etwas Ende Oktober reichen, erwarten die Analysten der DZ
Bank. Da es bei US-Staatsanleihen grundsätzlich keine sogenannte
"Grace period", also einen Tilgungsaufschub, gibt, müssten die großen
Ratingagenturen die Einstufung der USA im Fall der ersten
ausbleibenden Zahlung auf "Selective Default" (teilweise
Zahlungsausfall, "SD") stellen. Dies würden sie aber wohl nur mit
größter Zurückhaltung tun - nicht zuletzt mit Blick darauf, dass sich
Ratingagenturen in der Vergangenheit nach Herabstufungen der
US-Bonität plötzlich einer (damit natürlich in keinerlei Zusammenhang
stehenden) Untersuchung ihres Geschäftsgebarens durch
US-Strafverfolgungsbehörden ausgesetzt sahen.
Wie die Erfahrung einer verspäteten Zinszahlung des amerikanischen
Finanzministeriums in einer ähnlichen politischen Situation im Jahr
1979 gezeigt hat, dürfte es zu einem deutlichen Ansteigen der
Nervosität kommen, das sich in nach oben schnellenden kurzfristigen
Zinsen manifestiert. Zu einer Kernschmelze des Weltfinanzsystems
würde es aber sicherlich erst einmal nicht kommen - zumal die
Marktteilnehmer die Gewissheit haben, dass die USA grundsätzlich über
eine ausreichende Finanzkraft verfügen. Mit einem "Meltdown" wäre
erst nach einigen Monaten zu rechnen, wenn Kreditinstitute rund um
den Globus umfangreiche Abschreibungen auf ihre US-Treasury-Bestände
vornehmen müssten.
Je mehr Stunden und Tage sich ein Zahlungsverzug der USA und eine
politische Blockade in Washington hinziehen würden, desto
schwerwiegender wären laut Einschätzung der DZBank die Konsequenzen
in Gestalt einer Austrocknung des US-Interbankenmarktes und
steigender Risikoprämien von Treasuries. Zudem wäre auch damit zu
rechnen, dass der Greenback unter starken Druck gerät und der
Aktienmarkt parallel zur Lage nach der Pleite der Investmentbank
Lehman Brothers in den Sinkflug übergeht. So fand sich der S&P500
sechs Monate nach dem Lehman-Konkurs auf einem um 46% niedrigeren
Niveau wieder.
Hinzu kommen die konjunkturellen Auswirkungen eines sich
hinziehenden Ausgabenstopps der US-Regierung. Hier zeichnet sich noch
kein Ende ab, denn bisher lassen die Republikaner
Kompromissbereitschaft nur bei der Schuldengrenze erkennen. Aber auch
diese Auswirkungen dürften beherrschbar sein, zumal die US-Notenbank
Federal Reserve (Fed) die Möglichkeit hat, diese mit zusätzlichen
quantitativen Maßnahmen erheblich abzumildern.
Es ist also zu erwarten, dass sich die Nervosität an den Märkten
in den nächsten Tagen in Grenzen halten wird, auch wenn sich das
Endspiel in Washington noch hinzieht. Sobald aber eine Einigung
erreicht ist und der Abpfiff ertönt, ist mit einer kurzen, aber
heftigen Erleichterungsrally zu rechnen.
(Börsen-Zeitung, 12.10.2013)
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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