Westdeutsche Zeitung: NRW schneidet im neuen Leistungsvergleich schlecht ab - Die Schulen werden tot gespart
Ein Kommentar von Anja Clemens-Smicek
Geschrieben am 11-10-2013 |
Düsseldorf (ots) - Wir könnten es uns jetzt einfach machen: Da
Mathematik auf der Beliebtheitsskala vieler Schüler nicht gerade auf
einer Top-Position steht und ähnliches auch für die
Naturwissenschaften gilt, haken wir diese neue Bildungsstudie doch
einfach ab. Unterdurchschnittliche Leistungen sind ja quasi der
allgemeinen Abneigung dieser Fächer gezollt. Aber so einfach ist es
nicht. Der Lernabstand zwischen Schülern in den ostdeutschen Ländern
und Nordrhein-Westfalen beträgt zwei Jahre. Zwei ganze Schuljahre,
die die Schüler an Rhein und Ruhr den Spitzenreitern hinterherhinken.
Ein "weiter so" lässt dieses eklatante Gefälle nicht zu.
Genauso aber wie die Schuldigen jetzt wieder unter den Lehrern
ausgemacht werden - ein Reflex seit der ersten Pisa-Studie 2001 -,
wird die hohe Anzahl von Migranten sowie bildungsfernen und
einkommensschwachen Familien in NRW als Begründung für das schlechte
Abschneiden herangezogen. Kein Experte widerspricht der These, dass
Bildungserfolg und Elternhaus in Deutschland weiterhin eng
zusammenhängen. Doch gerade NRW rühmt sich vieler kreativer Reformen,
die das Schulsystem durchlässiger machen sollen. Das ständige
Herumdoktern am System bringt aber nichts, wenn das Spardiktat wie
ein Damoklesschwert über allem schwebt.
Das beginnt mit den Klassengrößen und der Lehrerversorgung in NRW,
die - wenn wir uns auf die Statistik verlassen - natürlich völlig im
Rahmen liegt. In der Praxis sieht es aber häufig ganz anders aus.
Wenn ein großer Prozentsatz des Unterrichts generell von fachfremden
Lehrern erteilt wird, ist es nur logisch, dass keine Begeisterung für
Mathe, Chemie oder Physik geweckt werden kann. Fragen sollte sich die
Politik auch, ob bei den entsprechenden Lehramtsstudiengängen der
praktische Bezug ausreichend berücksichtigt wird, um auch spröde
Fächer lebendig zu gestalten. Ob bei der Verkürzung der Stundentafeln
zum Abitur nach zwölf Jahren die richtigen Schwerpunkte gesetzt
wurden.
Bei allen Reformvorhaben und Weiterbildungsinitiativen für Lehrer
sollten wir aber auch die Eltern nicht aus der Verantwortung
entlassen. Die Schule ist als Reparaturbetrieb fürs Elternhaus
überfordert. Und das ist nicht ihr originärer Auftrag.
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