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"Bereitschaft zum Teilen bewirkt Gutes"/ Berlin: Ökumenischer Gottesdienst zur Konstituierung des Bundestages

Geschrieben am 22-10-2013

Hannover (ots) - Zum Auftakt der konstituierenden Sitzung des
Deutschen Bundestags haben die Abgeordneten am heutigen Dienstag
einen ökumenischen Gottesdienst in der Berliner St. Hedwigskathedrale
gefeiert.

In seiner Begrüßung sagte der Leiter des Katholischen Büros,
Prälat Dr. Karl Jüsten: "Gott ist der Herr der Welt - nicht wir. Aber
er braucht jeden einzelnen von uns, durch uns wirkt er in diese Welt
hinein. Nicht zuletzt deshalb dürfen wir auch dankbar sein für das,
was Menschen schaffen und bewirken." Außerdem, so betonte er,
geschehe alltäglich und überall in unserem Land Gutes: "Doch auch auf
das Unzureichende, die Ungerechtigkeit und das Leiden wollen und
müssen wir hinweisen", so Jüsten.

In seiner Predigt stellte der Bevollmächtigte des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Dr. Martin
Dutzmann, ein Wort aus dem Hebräerbrief in den Mittelpunkt: "'Wir
haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.'
Diesen Vers aus dem Brief an die Hebräer hat die Ökumenische
Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen zum biblischen Leitwort für das
Jahr 2013 erkoren. Ich bin davon überzeugt, dass er auch als Leitwort
für die heute beginnende 18. Legislaturperiode des Deutschen
Bundestages dienen kann", so Dutzmann. Er unterstrich, dass es nicht
zuletzt von der Bereitschaft zum Teilen abhinge, dass Gutes bewirkt
werde: "Gelingt es uns Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, Güter
wie Arbeit, Bildung oder Gesundheitsversorgung so zu teilen, dass
alle genug davon haben? Schaffen wir es, mit den Ressourcen der Erde
so umzugehen, dass alle, wirklich alle Menschen, genug zum Leben
haben? Werden wir die Schätze unseres Planeten so nutzen, dass auch
künftige Generationen den Teil bekommen, der ihnen zusteht? 'Mit
anderen zu teilen vergesst nicht', heißt es. Die Politik kann und
muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Die Bereitschaft zum
Teilen und Verzichten ist aber von allen Bürgerinnen und Bürgern
dieses Landes gefordert."

Hinweis:

Die Begrüßung von Prälat Dr. Karl Jüsten und die Predigt von
Prälat Dr. Martin Dutzmann finden Sie im Anhang.

Hannover/Berlin, 22. Oktober 2013

Pressestelle der EKD

Reinhard Mawick

Es gilt das gesprochene Wort!

Prälat Dr. Martin Dutzmann

Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union

Predigt im Ökumenischen Gottesdienst anlässlich der
konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. Oktober
2013 in der Kathedrale St. Hedwig in Berlin

Predigttext: Hebräer 13,14 (Jahreslosung 2013)

Liebe Schwestern und Brüder,

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir." Diesen Vers aus dem Brief an die Hebräer - einige von
Ihnen wissen das - hat die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für
Bibellesen zur Jahreslosung, also zum biblischen Leitvers für das
Jahr 2013, erkoren. Ich bin davon überzeugt, dass er auch als
Leitwort für die heute beginnende 18. Legislaturperiode des Deutschen
Bundestages dienen kann.

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir." Wer es nach aufreibendem Wahlkampf in den Deutschen
Bundestag geschafft hat und sich anschickt, voller Tatendrang und
Gestaltungswillen an die Arbeit zu gehen, mag irritiert sein: Muss
ich mich denn ausgerechnet heute daran erinnern lassen, dass wir hier
keine bleibende Stadt haben? Muss ich mir ausgerechnet heute anhören,
dass alles vergänglich ist - einschließlich des Gemeinwesens, für
das ich mich einsetzen möchte? Und heißt das womöglich, dass alles
Informieren und Debattieren, alles Verhandeln und Entscheiden
letztlich umsonst ist? Wo bleibt der Ansporn, wo die Ermutigung für
meine wahrhaftig nicht leichte Aufgabe?!

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir." Hier denkt jemand vom Ende her. Von dem Ende her, das
Gott der Welt eines Tages setzen wird. Vom Ende der Welt können wir
Menschen nur in Bildern reden. Die Jahreslosung spricht deshalb von
der "zukünftigen Stadt", dem neuen Jerusalem. Das letzte Buch der
Bibel, die Offenbarung des Johannes, malt uns das neue Jerusalem in
leuchtenden Farben vor Augen. So wird erzählt, welcher Anblick sich
dem Seher Johannes in einer Vision bot: "Ihr Mauerwerk war aus Jaspis
und die Stadt aus reinem Gold, gleich reinem Glas. Und die
Grundsteine der Mauer um die Stadt waren geschmückt mit allerlei
Edelsteinen (...) Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, ein jedes
Tor war aus einer einzigen Perle, und der Marktplatz der Stadt war
aus reinem Gold."

Wichtiger aber als der perfekte Anblick dieser Stadt ist die dort
vollendete Gemeinschaft Gottes mit den Menschen und der Menschen
untereinander: "Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er
wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und er selbst,
Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle
Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid
noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist
vergangen." (Offenbarung 21, 3-4)

Vom diesem Ende her fällt ein Licht auf den Anfang. Auf alle
Anfänge in unserem Leben, auch auf den Anfang einer
Legislaturperiode. Im Licht des von Gott versprochenen Endes der Welt
erkennen wir: Nicht wir sind es, die für Vollendung sorgen können und
müssen. Nicht wir sind es, die die Menschheit retten müssten. Nicht
wir sind es, die diesem Land oder Europa oder gar der ganzen Welt das
endgültige Heil zu bringen hätten. Nicht wir sind es, die alles Leid
der Welt verhindern oder beseitigen könnten und müssten. Das zu tun
hat Gott versprochen, und Gott hält, was er verspricht.

Menschen, die auf das Ende sehen, sehen sich entlastet. Sie können
ihren Weg frei und aufrecht gehen und gelassen ihr Tagewerk tun.
Menschen, die auf das Ende sehen, haben es nicht nötig, verbissen
ihren Willen oder ihr Programm durchzusetzen. Menschen, die auf das
Ende sehen, sind so frei, auch andere Meinungen gelten zu lassen und
Kompromisse zu schließen.

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir." Wer auf das Ende sieht, ist gelassen, aber nicht
untätig. Wer darauf hofft, dass Gott die Welt vollenden wird, ist
entlastet, legt aber nicht die Hände in den Schoß. Es heißt, dass wir
die zukünftige Stadt, das neue Jerusalem, suchen. Wer auf das Ende
sieht, der sucht schon jetzt nach Wegen, wie Tränen abgewischt, ja
möglichst gar nicht erst geweint werden. Wer auf das Ende sieht, dem
lassen Leid, Geschrei und Schmerz der Menschen schon jetzt keine
Ruhe. Wer auf das Ende sieht, der kämpft schon jetzt gegen den Tod,
insbesondere gegen den Tod durch Hunger und Gewalt.

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir." Unmittelbar im Anschluss an die Jahreslosung lesen wir
im Hebräerbrief, wie dieses Suchen konkret wird: "So lasst uns nun
durch ihn (Jesus Christus) Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das
ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen." Als solche,
die auf das Ende sehen, sollen wir also Gottes Namen bekennen. Wir
sollen sagen, dass wir von Gott her kommen und zu ihm hin unterwegs
sind. Wir sollen davon reden, dass wir im Leben und im Sterben auf
ihn vertrauen. Und wir sollen entsprechend handeln. Der Hebräerbrief
fährt fort: "Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht;
denn solche Opfer gefallen Gott."

Gutes tun. Ich bin überzeugt: Sie alle, die Sie heute Ihre Arbeit
im Deutschen Bundestag aufnehmen oder wieder aufnehmen, wollen Gutes
tun. Sie wollen die Lebensbedingungen in diesem Land so gestalten,
dass die Bürgerinnen und Bürger gut leben können. Bitten wir Gott,
dass Ihnen das gelingt und dass Ihre Entscheidungen den Menschen in
diesem Land gut tun.

"Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht." Dass
Gutes bewirkt wird, hängt nicht zuletzt von der Bereitschaft zum
Teilen ab. Gelingt es uns Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes,
Güter wie Arbeit, Bildung oder Gesundheitsversorgung so zu teilen,
dass alle genug davon haben? Schaffen wir es, mit den Ressourcen der
Erde so umzugehen, dass alle, wirklich alle Menschen, genug zum Leben
haben? Werden wir die Schätze unseres Planeten so nutzen, dass auch
künftige Generationen den Teil bekommen, der ihnen zusteht? "Mit
anderen zu teilen vergesst nicht", heißt es. Die Politik kann und
muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Die Bereitschaft zum
Teilen und Verzichten ist aber von allen Bürgerinnen und Bürgern
dieses Landes gefordert.

"Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergesst nicht; denn
solche Opfer gefallen Gott." Von Opfern ist da zum Schluss die Rede.
Sie, die Sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages Gutes tun und
für Gerechtigkeit eintreten, bringen manches persönliche Opfer: Ihre
Arbeitsbelastung ist hoch, doch hat das in der Bevölkerung kaum eine
ebenso hohe Anerkennung und Wertschätzung Ihres Berufsstandes zur
Folge. Trotzdem gehen Sie heute entschlossen ans Werk. Seien Sie
gewiss: Es gefällt Gott, wenn Menschen wie Sie Lebenszeit und
Lebenskraft zum Wohl der Gemeinschaft einsetzen.

"Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige
suchen wir." Die Jahreslosung für 2013 ist ein gutes Leitwort auch
für die heute beginnende Legislaturperiode. Der Blick auf das Ende,
das Gott dieser Welt bereiten wird, entlastet davon, selbst den
Himmel auf Erden schaffen zu müssen. Zugleich fällt vom Ende her ein
Licht auf das, was heute zu tun ist.

Einer, der stets das Ende im Blick hatte und sich vom Ende her den
Weg weisen ließ, war der Pfarrer und Dichter Paul Gerhardt, der im
17. Jahrhundert nicht weit von hier an der Kirche St. Nicolai Dienst
tat. Sein Lied "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" kennen viele von
uns vor allem als Sommerlied. Im zweiten Teil dieses Liedes aber malt
Paul Gerhardt uns das Ende - nicht als zukünftige Stadt, sondern als
wunderschönen Garten - vor Augen. Ganz am Schluss heißt es dann:
"Erwähle mich zum Paradeis / und lass mich bis zur letzten Reis / an
Leib und Seele grünen, / so will ich dir und deiner Ehr / allein und
sonsten keinem mehr / hier und dort ewig dienen, / hier und dort ewig
dienen."



Pressekontakt:
Evangelische Kirche in Deutschland
Reinhard Mawick
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: reinhard.mawick@ekd.de


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