Lausitzer Rundschau: Die Großen und die Kleinen
Zur ersten Sitzung des neuen Bundestages
Geschrieben am 22-10-2013 |
Cottbus (ots) - Die erste Sitzung des neu gewählten Bundestages am
Dienstag kündete auch für jedermann sichtbar von den deutlichen
machtpolitischen Verschiebungen im Land. Die einst durch einen Gang
getrennten Sitzreihen der Abgeordneten von Union und FDP sind
praktisch zu einem einzigen Block verschmolzen - freilich, ohne dass
die Liberalen noch dabei wären. Die Bundestagsfraktion von CDU und
CSU ist jetzt so stark, wie sie es seit mehr als zwei Jahrzehnten
nicht mehr war. Und durch die absehbare Große Koalition mit der SPD
potenziert sich ihre Stärke erst recht. Wird die Opposition damit zur
parlamentarischen Fußnote in den kommenden vier Jahren? Es liegt in
der Verantwortung von Schwarz-Rot, dieses demokratie-schädliche
Szenario zu vermeiden. Nach den geltenden Regularien, die sich nicht
nur im Grundgesetz, sondern auch in der Geschäftsordnung des
Bundestages manifestieren, ist ein Stimmenanteil von wenigstens 25
Prozent zur Durchsetzung wichtiger Minderheitenrechte erforderlich.
Linke und Grüne kommen zusammen aber nur auf 20 Prozent. Damit lässt
sich weder die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erzwingen
noch eine Sondersitzung des Bundestages. Auch die Parlamentssitzungen
selbst drohen zu einem Alleinunterhaltungsprogramm der
Regierungsparteien zu werden. Denn die Redezeiten bemessen sich
traditionell nach der jeweiligen Größe der Fraktionen. Das heißt
konkret: Unter einer Großen Koalition entfielen von einer
halbstündigen Parlamentsdebatte 24 Minuten auf Union und SPD und
lediglich sechs auf Vertreter der beiden Oppositionsparteien. Eine
wenig elektrisierende Vorstellung. Die spannende Auseinandersetzung,
der belebende Meinungsstreit, das demokratische Prinzip von Rede und
Gegenrede wären dann nur noch eine Farce. Es ist gut, dass der alte
und neue Bundestagspräsident Norbert Lammert diese Probleme erkannt
und in seiner Antrittsrede offen thematisiert hat. Seine Forderung,
dass die Minderheit in ihren Rechten nicht von der Gnade der Mehrheit
abhängig sein dürfe, ist ein Gebot der demokratischen Spielregeln.
Lammert hat allerdings noch eine ironische, aber sehr kluge Bemerkung
hinzugefügt, nämlich, dass klare Mehrheiten nicht von vornherein
verfassungswidrig sind. Mit anderen Worten: Die Rechte der Minderheit
im Bundestag dürfen auch nicht so weit gehen, dass sie zur
Kompensation für ihre verlorene Wahl werden. In diesem Spannungsfeld
muss ein Kompromiss gefunden werden. Dass Union und SPD durchaus ein
Interesse daran haben, die "Kleinen" zu pflegen, liegt strategisch
auf der Hand: Spätestens in vier Jahren ist wieder Wahl. Da macht es
Sinn, sich neue Bündnisoptionen offenzuhalten. Schließlich ist die
Große Koalition nicht der politische Normalfall, sondern nur eine
Notgemeinschaft.
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Lausitzer Rundschau
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