Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Politikverdrossenheit und zu Lobbyismus in der EU: "Mehr Bürgernähe" von Hanna Vauchelle
Geschrieben am 01-11-2013 |
Regensburg (ots) - Sieben Monate sind es nur noch bis zur
Europawahl. Und schon prophezeien Umfrageinstitute dicke Zuwächse für
Anti-EU-Parteien und Rechtspopulisten. Während man sich in Brüssel
bange fragt, was gegen die drohende feindliche Übernahme getan werden
könnte, wird das Naheliegende oft übersehen: Europa braucht mehr
Transparenz. Denn dass die EU-Gegner Zulauf bekommen, liegt
zweifellos auch daran, dass Brüssel zunehmend als undurchsichtiger
Moloch wahrgenommen wird, in dem Bürokraten und Konzerne miteinander
kungeln. Die EU muss aber ihre Bürger mitnehmen. Ob die große
Eurokrise oder die geplanten Eingriffe in kommunale Angelegenheiten
wie die Wasserversorgung - das Ansehen der EU hat in den vergangenen
Monaten Kratzer abbekommen. Das Stichwort von der
Europa-Verdrossenheit hat die Mitgliedsstaaten eingeholt. Dass
darüber hinaus Großkonzerne wie der Tabak-Multi Philipp Morris
scheinbar mühelos ihre Interessen in den Gesetzestexten unterbringen,
tut sein Übriges hinzu. In den letzten Wochen haben sich die Vorfälle
von wirtschaftlicher Einflussnahme erschreckend gehäuft. So wurde
zuerst die Tabakrichtlinie verwässert, dann verschob man die
entscheidende Abstimmung über strengere CO2-Grenzwerte für
Autohersteller auf unbestimmte Zeit. Auch die Datenschutzverordnung
befindet sich unter Dauerbeschuss der betroffenen Firmen. Daran wäre
im Grunde nichts auszusetzen. Schließlich muss es auch Konzernen
erlaubt sein, sich in einer demokratischen Gesellschaft am
Gesetzgebungsprozess zu beteiligen. Doch die Art und Weise, wie dies
in Brüssel geschieht, ist inakzeptabel. Die pure Macht der
Lobby-Front von Unternehmen zeigt nicht nur, dass die
Zivilgesellschaft in Brüssel unterrepräsentiert ist. Sie zeigt auch,
dass das bestehende, freiwillige Transparenz-Register nicht
funktioniert. Zu viel bleibt noch immer im Dunkeln und führt dazu,
dass Lobbyismus als schmutziges Geschäft wahrgenommen wird. Dabei
müsste es eigentlich selbstverständlich sein: Europas Bürger haben
ein Recht darauf zu erfahren, wer mit welchem Budget und in wessen
Auftrag versucht, Einfluss auf welche EU-Politiker zu nehmen. Dies
kann nur über ein verpflichtendes Register geleistet werden. Noch
einmal: Brüssel und vor allem das Europaparlament braucht die
Lobbyisten. Schließlich können die Abgeordneten selbst nicht auf
allen Gebieten ausgewiesene Experten sein. Doch wenn sich jemand in
einen Gesetzgebungsprozess, der am Ende 500 Millionen Menschen
betrifft, einbringt, muss klar sein, wer dahintersteht und welche
finanziellen Interessen im Spiel sind. Sicherlich, das verpflichtende
Register hat auch seine Grenzen. Nämlich dann, wenn sich die
Bundeskanzlerin persönlich als Ober-Lobbyistin beteiligt und den
deutschen Autobauern so härtere Auflagen zu CO2-Grenzwerten erspart.
Es ist ein allgemeines Problem, dass Politik in der EU noch immer
viel zu häufig in Hinterzimmer-Deals gemacht wird. Die 28 Staats- und
Regierungschefs wollen sich um keinen Preis in die Karten sehen
lassen. Das trifft bisher auch auf wichtige Personalentscheidungen
zu. Um die Besetzung von Topjobs wird in der EU wie auf dem Basar
gefeilscht. Zumindest hier gibt es nun einen Lichtblick. Der Posten
des Kommissionspräsidenten soll an den Spitzenkandidaten jener
Parteienfamilie gehen, die bei der Europawahl die meisten Stimmen
erhalten hat. Darauf hat sich das Europaparlament eingeschossen,
allein die Mitgliedsstaaten mauern noch. Dabei wäre dies nach
Einführung der EU-Bürgerinitiative ein weiterer Schritt Richtung
Bürgernähe. Der EU kann dies nur guttun.
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Mittelbayerische Zeitung
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