Börsen-Zeitung: Verlierer ist der Sparer, Börsenkommentar "Marktplatz", von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 08-11-2013 |
Frankfurt (ots) - Mit einem Paukenschlag hat die Europäische
Zentralbank (EZB) am Donnerstag die Finanzmärkte kräftig
durcheinandergewirbelt. Nach der unter 1% gesunkenen
Jahresinflationsrate hatte zwar der eine oder andere Beobachter
zutreffend vorausgesagt, dass die Währungshüter eine Zinssenkung
verkünden würden; die Mehrheit wurde jedoch auf dem falschen Fuß
erwischt. Deutlich gezeigt hat sich dies beispielsweise am
Aktienmarkt, der durch den Zinsschritt nach oben katapultiert wurde.
Aus fundamentaler Sicht ist dies eigentlich eine unlogische
Reaktion. Denn die Zinssenkung offenbart, dass die Notenbank durch
den starken Rückgang der Teuerung nervös geworden ist, also kein
allzu großes Vertrauen hat, dass sich der Euroraum auf einem Weg
befindet, der für den Aktienmarkt als positiv betrachtet werden
könnte. Zudem kann niemand ernsthaft behaupten, dass die Reduzierung
des Leitzinses von 0,50% auf 0,25% die Voraussetzungen für die
Entwicklung der Unternehmensgewinne dramatisch verbessert. Darum geht
es allerdings auch nicht. Nachdem die amerikanische Zentralbank
klargestellt hat, dass ein sehr frühzeitiger Beginn der Reduzierung
ihrer Anleihekäufe keineswegs eine ausgemachte Sache ist, hat nun der
Zinsschritt der EZB die letzten Zweifel daran beseitigt, dass die
globale Geldpolitik bis auf weiteres mit dem Fuß am Gaspedal
festgeklebt bleibt. Der Treibstoff, der die Aktienmärkte antreibt -
Zinsen nahe null und überschüssige Liquidität -, bleibt bis auf
weiteres erhalten. Damit können die Aktienmärkte voraussichtlich auch
in den kommenden Monaten auch bei stagnierenden Gewinnen steigen und
sich ihre Bewertungen somit weiter ausdehnen. Seit dem September 2011
ist die KGV-Bewertung (Kurs-Gewinn-Verhältnis) der globalen
Aktienmärkte um 40% gestiegen, wie die Citigroup ausgerechnet hat.
Die Entscheidung der EZB hat aber noch wesentlich weitreichendere
Implikationen. Erwartungen oder auch Hoffnungen, dass es in
absehbarer Zeit zu einer Normalisierung bzw. einem deutlichen Anstieg
der Zinsen und Staatsanleiherenditen kommen wird, können getrost ad
acta gelegt werden. Die neuerliche monetäre Lockerung unterstreicht,
dass die Währungshüter auf beiden Seiten des Atlantiks wissen, dass
die hoch verschuldeten Staaten, die Immobilienmärkte und das
Finanzsystem noch lange nicht in der Lage sein werden, deutlich
höhere Zinsen zu verkraften, selbst wenn diese auch nur Niveaus
erreichen, die vor wenigen Jahren völlig normal und problemlos
gewesen sind.
So schön die Entwicklung derzeit aus Sicht der Immobilienbesitzer
und Aktienanleger zu sein scheint, so unangenehm ist sie aus Sicht
institutioneller Investoren und nicht zuletzt der Sparer.
Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds und Lebensversicherer geraten
in eine immer schwierigere Lage, weil sie zugesagte Anlagerenditen am
Anleihemarkt nicht mehr erzielen können. Diversifizierung in
risikoreichere und damit höher rentierliche Assets ist ein Ausweg,
der bereits gegangen wird, wie Unternehmensanleiherenditen zeigen,
die früher sogar so manchen Triple-A-dekorierten Staat vor Neid
hätten erblassen lassen. Eine Lösung ist dies jedoch nicht. Vielen
Institutionellen ist dieser Weg aus regulatorischen Gründen bzw.
wegen interner Vorgaben versperrt. Erschwerend kommt hinzu, dass die
Ausweich-Asset-Klassen nicht annähernd so groß sind wie die
Staatsanleihen bester Bonität, allen voran die Treasuries.
Institutionelle sind allein schon aufgrund der Volumina, die sie
verwalten, auf Gedeih und Verderb auf Treasuries, Bundesanleihen,
Gilts und Co. angewiesen. Darüber hinaus sind die Alternativen wie
z.B. die Unternehmensanleihen durch die verzweifelte Suche nach
Zusatzrendite auf anspruchsvolle Bewertungsniveaus gestiegen.
Neben den Institutionellen sind die deutschen Sparer, die
weitgehend in Zinsanlagen engagiert sind, gekniffen. Die staatlich
organisierte Rente wird vielfach nicht reichen, und nun wird durch
das Niedrigzinsumfeld auch noch die private Altersvorsorge
angefressen. Dass die Deutschen falsch anlegen, d.h. die Aktie zu
wenig berücksichtigen, ist unbestritten und hat sich in den
zurückliegenden Jahren bitter gerächt. Allerdings werden sich
deutsche Sparer, die mit Aktien sehr schlechte Erfahrungen gemacht
haben, jetzt auf den deutlich erhöhten Kursniveaus wohl schwertun,
das Ruder herumzureißen. Es ist auch unklar, ob ein stärkeres
Aktienengagement jetzt sinnvollerweise empfohlen werden soll. Eines
sollte man ihnen aber auf keinen Fall zumuten: eine
Transaktionssteuer, die das letzte bisschen Ertrag auch noch
aufzehrt.
(Börsen-Zeitung, 9.11.2013)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
495823
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum deutschen Exportrekord Bielefeld (ots) - Wie bitte? Deutschland soll sich dafür
rechtfertigen, dass es am Weltmarkt alles richtig macht? Irgendwie
ist das Thema von Deutschlands angeblich zu hoher Wirtschaftskraft
und Exportstärke in der Politik noch gar nicht angekommen. Dabei ist
es ein Skandal, wenn die EU mit Strafzahlungen für Wachstum und die
USA gedanklich mit Drohungen gegen einen Musterknaben spielen. Ja,
der Export boomt und die Inlandsnachfrage kann kaum noch Schritt
halten. Das ist ein internes Problem. Die Bundesregierung, und
niemand sonst, mehr...
- WAZ: Deutschland, das Streberland. Kommentar von Ulf Meinke Essen (ots) - Streber sind unbeliebt. Das ist in der Schule nicht
anders als in der großen weiten Welt der Wirtschaft. Deutschland,
gewissermaßen Europas Musterschüler, bekommt das gerade zu spüren.
Der Klassenbeste zieht Neid auf sich. Deutschland ist traditionell
eine starke Exportnation. Doch noch nie war der Exportüberschuss so
groß wie im September. Die Bundesrepublik hat sehr viel mehr Waren
ins Ausland verkauft als eingeführt. Wohlgemerkt: Es handelt sich um
eine Momentaufnahme. Wie die Jahresbilanz ausfällt, ist offen.
Dennoch mehr...
- Weser-Kurier: Zum aktuellen Zinsdilemma der Sparer schreibt der Bremer WESER-KURIER: Bremen (ots) - Haben Sie auch etwas fürs Alter auf die hohe Kante
gelegt? Jetzt können Sie zuschauen, wie Ihr Guthaben abschmilzt. Und
zwar allein durchs bloße Beobachten. Das ist tatsächlich nichts
anderes als eine Enteignung von Sparvermögen. Daran wird sich auf
absehbarer Zeit nicht ändern. Die EZB wird sich kurzfristig kaum von
ihrer Linie der Niedrigzinsen abbringen lassen. Aber das Zinstief
schmerzt nicht nur die Sparer, auch für Lebensversicherungen ist das
Geschäft mit der Vorsorge nicht mehr attraktiv. Mehr noch - die
Konzerne mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Arbeit / Soziales Osnabrück (ots) - Schwarz auf weiß
Jetzt ist es amtlich. Auf der Meyer Werft wurden Ruhezeiten für
Werkvertragsarbeiter nicht eingehalten. Damit bescheinigt die
Gewerbeaufsicht den emsländischen Schiffbauern nun schwarz auf weiß,
was die Spatzen seit dem tragischen Feuertod zweier rumänischer
Arbeiter in ihrer Unterkunft im Sommer von den Papenburger Dächern
pfeifen. Es ist richtig, dass die Behörde bei den Schiffbauern auf
deren Verantwortung für alle Mitarbeiter auf dem Werftgelände pocht,
auch wenn es sich offiziell "nur" mehr...
- MediaTek CEO als Redner zur 2014 ISSCC eingeladen - neben acht Fachbeiträgen, die publiziert werden Hsinchu, Taiwan (ots/PRNewswire) - Die MediaTek Incorporation (TT:
2454) hat die Ehre, bekanntzugeben, dass Ming-Kai Tsai, Vorstand und
CEO von MediaTek, eingeladen worden ist, um bei der 2014 IEEE
International Solid-State Circuits Conference (ISSCC), eine
Grundsatzrede zu halten - neben acht angenommenen Fachbeiträgen. Der
Schwerpunkt der Rede konzentriert sich auf die neuesten
Technologie-Trends und die Herausforderungen, vor denen man während
des Wandels zu einer neuen Cloud-Ära steht - Cloud 2.0.
Tsai, ein engagierter, langjähriger mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|