DER STANDARD-KOMMENTAR "Die Verhübschung der Zukunft" von Michael Völker
Geschrieben am 26-11-2013 |
Auch wenn der Kanzler etwas anderes verspricht: Es schaut
düster aus - Ausgabe vom 27.11.2013
Wien (ots) - Es ist undenkbar, dass sich die ÖVP aus der Regierung
verabschiedet. Das würden schon die starken Interessenvertretungen
innerhalb der Partei - die Bünde und die Länder - nicht zulassen.
Sich aus der Regierung zurückzuziehen würde bedeuten, maßgeblichen
Einfluss in der Republik zu verlieren. Das Finanzministerium, das
Wirtschaftsministerium, das Landwirtschaftsministerium aufgeben und
einer anderen Partei überlassen? Keine Mitsprache mehr haben? Bei der
Verteilung der Gelder nicht mitreden können? Undenkbar. Und diese
Frage entscheidet mit Sicherheit nicht Michael Spindelegger, der
Parteichef, diese Frage entscheiden Leute wie Erwin Pröll oder Josef
Pühringer, diese Frage entscheiden Wirtschaft, Industrie und das
Geld. Das Gerede von der fünfzigprozentigen Chance, ob die ÖVP
überhaupt in eine Koalition mit der SPÖ geht, ist Unsinn. Das sind
ungelenke Drohgebärden, das ist billiger Theaterdonner, das ist ein
holprig inszenierter Streit. Die Schwarzen wollen und werden in diese
Koalition gehen. Die ÖVP versucht dabei, ihre Interessen so gut wie
möglich wahrzunehmen. Das ist legitim. Da gehören Bluffen, Tarnen und
Täuschen dazu. Drohen eben. Man kann der ÖVP auch zugutehalten, dass
sie das nicht nur aus Eigeninteresse tut; dass es ihr nicht nur um
Einfluss und Posten geht. Dass sie dabei auch das Wohl der Republik
im Auge hat. Beispiel Pensionen. Beispiel Sparen. Beispiel
Ehrlichkeit. Jeder weiß, dass sich die Aufrechterhaltung des
Pensionssystems auf dem jetzigen Niveau nicht mehr ausgehen wird. Die
ÖVP sagt: Änderungen sind notwendig. Die SPÖ zuckt mit den Schultern:
wird schon irgendwie gehen. Ein Blick auf die Statistik, auf die
Prognosen zeigt: Das wird sich eben nicht ausgehen. Im Pensionssystem
wird es Änderungen geben müssen. Wo auch immer man dreht, bei der
Finanzierung, der Pensionshöhe oder beim Antrittsalter - es wird
gedreht werden müssen. Tatsache. Jetzt kann man natürlich noch eine
Legislaturperiode lang vor dieser Tatsache die Augen verschließen und
nur die eigenen Interessen, nämlich die nächste Wahl im Auge haben.
Man kann die Prognosen ignorieren und Fantasie entwickeln, wie man
die Realität behübschen kann. Indem man "Erwartungslücke" und nicht
"Budgetloch" sagt. Indem man die Notwendigkeit eines Sparkurses
wegredet. Indem man die Bevölkerung belügt. Wird schon irgendwie
gehen. Die Chuzpe, mit der die SPÖ die Verantwortung für den Staat
und für die Zukunft herunterspielt, die Ignoranz, mit der sich Werner
Faymann seine staatsmännischen Geschicke auf die Verwaltung des
eigenen Machterhalts reduziert, ist atemberaubend. Die Empörung der
ÖVP, ob nun echt oder gekünstelt, hat Faymann offenbar schon
eingeplant, wenn er sagt, dass es in der Endphase von
Regierungsgesprächen noch zu "harten Diskussionen" kommen könne. Ihn
störe das nicht. Wie beruhigend. Was ihn stören sollte: dass die
Leute die Nase voll haben. Dass es um die Zukunft geht. Die Wahrheit
ist zumutbar. Wenn schon nicht im Wahlkampf, dann wenigstens zu
Beginn einer Legislaturperiode. Dort stehen wir jetzt. Das sollte
auch als Chance begriffen werden. Dass die Republik dabei offenbar
auf den Theaterdonner, den die ÖVP zu erzeugen vermag, angewiesen
ist, birgt nur für unbelehrbare Idealisten den Keim der Hoffnung in
sich.
Rückfragehinweis:
Der Standard
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