Vattenfalls trübe Aussichten: Braunkohle-Geschäft hat keine Zukunft
Geschrieben am 09-12-2013 |
Berlin (ots) - Einen Tag vor Beginn der zweiten Erörterung im
Planverfahren für den neuen Vattenfall-Tagebau Welzow-Süd II
bescheinigen Energie- und Rechtsexperten dem Braunkohlegeschäft in
der Lausitz trübe Zukunftsaussichten. Das einst sichere Geschäft mit
der Braunkohle steht vor enormen wirtschaftlichen und politischen
Risiken. Die Menge an Kohlestrom wird künftig sinken, das Geschäft
zunehmend weniger Gewinne abwerfen, führen die Experten auf einer
Pressekonferenz aus. Zudem stehen die Pläne im Widerspruch zur
Verfassung.
Mit dem Konflikt um den neuen Tagebau spitzt sich derzeit die
Auseinandersetzung um die Zukunft der Braunkohle in Deutschland zu.
Mehr als 120.000 Bürger hatten im September 2013 Einwendungen gegen
Welzow-Süd II eingereicht - zwanzig Mal so viele wie bei der ersten
Öffentlichkeitsbeteiligung 2011. Bei der am 10. Dezember beginnenden
Erörterung in Cottbus dürfen alle Einwender ihre Argumente mit den
Behörden diskutieren. Die energiepolitische Begründung des Tagebaus
ist dabei der zentrale Streitpunkt.
"Deutschlands Versorgungssicherheit braucht keinen einzigen
weiteren Tagebau", macht Prof. Dr. Christian von Hirschhausen vom
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) deutlich. "Die
Energiewende macht die Braunkohle mittelfristig überflüssig. In den
genehmigten Lausitzer Tagebauen liegt mehr als genug Kohle, um diese
Zeit zu überbrücken", so der DIW-Forschungsdirektor [1]. Die Planung
der Braunkohleentwicklung in der Lausitz stammt noch aus den 1990er
Jahren, d.h. lange bevor in Deutschland die Entscheidungen in
Richtung Energiewende getroffen wurden. "Vattenfall schließt beide
Augen vor der energiepolitischen Wirklichkeit, wenn der Konzern
glaubt, auch in 20 oder gar 50 Jahren noch sicheres Geld mit der
Braunkohle verdienen zu können", so von Hirschhausen.
"In Deutschland wird schon jetzt viel überschüssiger Kohlestrom
produziert, weil inflexible Braunkohlemeiler auch dann weiter auf
Hochtouren laufen, wenn viel Ökostrom erzeugt wird", erklärt Daniela
Setton, energiepolitische Referentin des breiten Bündnisses
klima-allianz deutschland. Um ihre Kraftwerke nicht abregeln zu
müssen, zahlen Vattenfall und RWE sogar immer öfter dafür, ihren
Strom überhaupt loszuwerden. "Das vielbeschworene Zukunftsmodell der
Braunkohle als angeblich flexibler Partner der Erneuerbaren erweist
sich als Makulatur. Der derzeitige Boom ist nicht nachhaltig", so
Setton. Die brandenburgische Landesregierung und die Politiker in den
betroffenen Regionen müssten endlich aufwachen und ihre Anstrengungen
auf die Entwicklung von Szenarien jenseits der Braunkohle legen. "Das
Festklammern an einem abbrechenden Ast ist keine tragfähige
Zukunftsoption", so Setton.
Energieexperte Gerald Neubauer von Greenpeace betont, vor welchen
Schwierigkeiten Vattenfall derzeit bei den Versuchen einer
langfristigen Sicherung der Braunkohleverstromung in der Lausitz
steht. Auch der überarbeitete Braunkohlenplan für Welzow-Süd II und
der dazugehörige Umweltbericht verstießen gegen gesetzliche Vorgaben.
"Allein die Schäden, die Welzow-Süd II für Grundwasser und Flüsse
bedeuten, bergen für Vattenfall unkalkulierbare Risiken. Die
Langzeitfolgen der Lausitzer Braunkohlegewinnung mit massiven
Problemen der Versauerung und Verockerung bedrohen den Spreewald und
die Trinkwasserversorgung in Berlin und Brandenburg", so Neubauer.
Weil die EU-Wasserrahmenrichtlinie eine Verschlechterung des
Grundwasserzustands verbietet, hält Greenpeace Vattenfalls
Tagebaupläne für rechtswidrig.
Für Rechtsanwalt Dirk Teßmer, der Anwohner aus dem von der
Abbaggerung bedrohten Dorf Proschim vertritt, ist Welzow-Süd II sogar
verfassungsrechtlich unzulässig. "Das Grundgesetz der Bundesrepublik
lässt es nicht zu, Menschen gegen ihren Willen zum Verlassen ihrer
Heimat zu zwingen. Die beabsichtigten tiefgreifenden Eingriffe in die
Lebenswelt der Menschen sind nicht zu rechtfertigen, die
Enteignungsvorschriften des Bergrechts sind nach unserer Überzeugung
verfassungswidrig." Die Gerichte würden die Problematik zunehmend
anerkennen. "Der Tagebau Welzow-Süd II wird eine strenge gerichtliche
Prüfung nicht bestehen", ist Rechtsanwalt Teßmer sich sicher. Die
Hoffnungen der Bergbaubetroffenen richten sich auch an das
Bundesverfassungsgericht, welches am 17. Dezember sein Urteil über
zwei gegen den Tagebau Garzweiler geführte Verfassungsbeschwerden
verkünden wird. Je nachdem, wie Urteil und Urteilsbegründung
ausfallen, kann dieses auch Auswirkungen auf den Tagebau Welzow-Süd
II haben.
"Auch in Schweden wächst der Widerstand gegen Vattenfalls
Braunkohlegeschäft", erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der
Grünen im schwedischen Reichstag, Per Bolund. "Der Aufschluss neuer
Tagebaue ist mit Vattenfalls Klimazielen und der Schwedischen
Klimapolitik nicht vereinbar. Neue Investitionen müssen in
erneuerbare Energien fließen", betont der Politiker. Immer weniger
Schweden akzeptierten, dass ihre Steuergelder in die schmutzige
Braunkohle fließen, die Menschen ihrer Heimat beraubt und das Klima
zerstört. Im Hinblick auf einen möglichen Verkauf von Vattenfalls
Braunkohlesparte erklärt Bolund: "Uns ist an einer guten Lösung
gelegen, die nicht nach dem Motto verfährt 'nach uns die Sintflut'."
Im nächsten Jahr findet die Wahl zum Schwedischen Reichstag statt.
[1] Prof. Hirschhausen erstellte im Auftrag des brandenburgischen
Umweltministeriums ein Gutachten zur Frage der energiepolitischen
Notwendigkeit von Welzow-Süd I, download unter: http://ots.de/6a5Dk
Hintergrund:
Trotz Energiewende will der Konzern Vattenfall die besonders
klimaschädliche Stromerzeugung aus Braunkohle in großem Maßstab
fortsetzen. Für fünf neue Kohlengruben in der Region Lausitz sollen
mehr als 3.000 Menschen ihre Heimat verlieren. Für den Tagebau
Welzow-Süd Teilfeld II sollen 810 Menschen in Proschim, Welzow und
Lindenfeld enteignet und vertrieben werden, mehrere Orte wären von
einer unzumutbaren Randlage am Tagebauloch betroffen. Etwa ab dem
Jahr 2027 bis ca. 2042 will Vattenfall aus der geplanten zwanzig
Quadratkilometer großen Grube über 200 Millionen Tonnen Braunkohle
gewinnen und im Kraftwerk Schwarze Pumpe verstromen. Daraus würde die
gleiche Menge des Klimagases Kohlendioxid freigesetzt. Der erste
Entwurf des Braunkohlenplanes aus dem Jahr 2011 war wegen grober
Mängel überarbeitet worden und lag während einer dreimonatigen Frist
bis zum 17. September 2013 öffentlich aus.
Die klima-allianz deutschland ist das breite gesellschaftliche
Bündnis für Klimaschutz, bestehend aus mehr als 110 Organisationen
aus den Bereichen Kirche, Entwicklung, Jugend, Tierschutz, Umwelt,
Verbraucherschutz und Gewerkschaften. Weitere Informationen unter
www.klima-allianz.de
Pressekontakt:
Daniela Setton, klima-allianz deutschland, Mobil: 0179-7102094,
E-Mail: setton@klima-allianz.de
Gerald Neubauer, Greenpeace, Mobil: 0171-8780839, E-Mail:
gerald.neubauer@greenpeace.de
Dirk Teßmer, Rechtsanwälte Philipp-Gerlach & Teßmer, Tel.:
069-400340013, E-Mail: dtessmer@pg-t.de
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