Badische Zeitung: Zeit für einen Neustart
Zum Streit um die Ökostromförderung ein Leitartikel von Jörg Buteweg
Geschrieben am 18-12-2013 |
Freiburg (ots) - Sage niemand, die Attacke der EU-Kommission auf
die deutsche Ökostrom-Förderung komme überraschend. Kommissar Almunía
hat schon oft erklärt, dass er in den zahlreichen Ausnahmeregeln für
die Industriebetriebe eine unerlaubte Beihilfe sieht. Merkwürdig ist
allerdings die Reaktion der Kanzlerin. Dass die Industriestrompreise
- die niemand wirklich kennt, weil sie individuell ausgehandelt
werden - in Deutschland höher sind als anderswo, mag sein, ist aber
kein Argument für Subventionen. Gewiss, andere Länder lassen sich
auch nicht lumpen, wenn es um Unterstützung für die heimische
Wirtschaft geht. Aber die EU-Wettbewerbsbehörde ist unparteiisch.
Großbritannien muss sich wegen seiner Atomkraftwerke genauso erklären
wie Deutschland - was im Übrigen die These entkräftet, die EU wolle
die Energiewende torpedieren. Die EU-Kommission verlangt im Grunde
nur, was ohnehin offenkundig ist. Die Bundesregierung muss die
Ökostrom-Förderung auf neue Füße stellen. Was als Ausnahme für jene
wenige Betriebe gedacht war, bei denen die Stromkosten eine große
Rolle für ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit spielen, wurde von
der schwarz-gelben Regierung so ausgedehnt, dass sogar
Nahverkehrsbetriebe oder Brauereien davon profitieren. Die sind dem
internationalem Wettbewerb nicht ausgesetzt. Wie immer bei
Subventionen entstehen auch jede Menge Ungerechtigkeiten. Da
ersetzen Schlachtereien ihre Stammbelegschaft durch Leiharbeiter -
und profitieren dadurch von der Ökostrom-Befreiung. Da werden Firmen
benachteiligt, die wenig Strom verbrauchen, weil sie frühzeitig ins
Energiesparen investiert haben. Handwerker und Einzelhändler bezahlen
die Befreiung der anderen mit, ebenso wie die Privathaushalte. Die
Ausnahmen auf das ursprüngliche Maß zurückzuschrauben, würde den
Preis für die Kilowattstunde Strom um mehr als einen Cent senken. Das
ist bei 26 Cent Durchschnittspreis pro Kilowattstunde Strom schon
eine ordentliche Preisreduzierung. Die Industrierabatte sind aber nur
ein Teil des Problems. Die ursprünglich sinnvolle Regelung, für jede
Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien einen Bonus zu zahlen,
ist nicht mehr angebracht, wenn ein Viertel des Stroms aus Wind,
Sonne und Biomasse erzeugt wird. Das Fördersystem führt zu
Maissteppen, damit die Biogasanlagen Futter bekommen. Es treibt die
Pacht- und Bodenpreise und begünstigt damit diejenigen, die zufällig
Land besitzen. Vom Fördersystem profitieren jene, die es sich
leisten können, eine Solaranlage aufs Dach zu montieren oder sich an
Windparks zu beteiligen. Die Zeche zahlen die Stromverbraucher, auch
die mit schmalem Geldbeutel. Sigmar Gabriel, der neue
Energiewendeminister hat also jede Menge Arbeit vor sich. Auch wenn
es paradox klingt: Die EU-Kommission macht ihm die Arbeit leichter.
Gabriel kann auf den Druck aus Brüssel verweisen, wenn er Privilegien
für die Industrie kappt und die Förderung umbaut. Schwierig genug
wird es trotzdem, einerseits die Förderung der erneuerbaren Energien
zu drosseln, damit die Sache bezahlbar bleibt. Andererseits müssen
Investitionen in neue Anlagen ausreichend attraktiv bleiben, damit
dass Anleger, seien es Privatleute oder Versicherungen, bereit sind,
ihr Geld dort hineinzustecken. In der Finanz- und Wirtschaftskrise
wollte der damalige Bundesumweltminister Gabriel den deutschen
Haushalten Gutscheine schenken zum Kauf besonders stromsparender
Kühlschränke. Damals gab es stattdessen die Abwrackprämie. Heute
könnte Gabriele seine Idee wiederbeleben. Mit neuen, sparsamen
Geräten sinken Stromverbrauch und -rechnung. Dieser Aspekt ist
nämlich bisher in der Debatte um Energiewende und Ökostromförderung
zu kurz gekommen.
Pressekontakt:
Badische Zeitung
Schlussredaktion Badische Zeitung
Telefon: 0761/496-0
redaktion@badische-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
503232
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (BIELEFELD) zur schwarz-grünen Landesregierung in Hessen Bielefeld (ots) - Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich.
Schwarz-Grün - ausgerechnet in Hessen. Dort, wo die CDU besonders
schwarz ist und die Grünen in direkter Erbfolge von Joschka Fischers
Putztruppe aus den 68ern stehen, werden aus alten Gegnern neue
Partner. Von außen überraschend, bei näherer Betrachtung aber
durchaus vorstellbar - der Koalitionsvertrag liest sich in vielen
Punkte ganz unaufgeregt. Die Unionsseite nutzt den gemeinsamen
Sparwillen als Druck- und Lockmittel. Die Grünen verzichten dafür auf
die wirtschaftspolitische mehr...
- Südwest Presse: Kommentar zur EEG-UMLAGE Ulm (ots) - Für Privathaushalte und kleinere Unternehmen klingt es
auf den ersten Blick sehr positiv, dass die EU-Kommission die
Vorteile für energieintensive Betriebe bei der EEG-Umlage für
erneuerbare Energien in Frage stellt. Denn sie bezahlen die
milliardenschweren Vergünstigungen für die Industriebetriebe, und das
nicht über Steuern, sondern mit ihrer Stromrechnung. Bei jeder
Kilowattstunde Strom kostet sie das über einen Cent, Tendenz deutlich
steigend. Doch näher betrachtet ist die Entlastung sehr wohl im
Interesse aller, weil mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Ökostrom-Rabatte
Kein Grund zur Empörung
Knut pries Bielefeld (ots) - Zu den vielen Zielen der Europäischen Union für
das Jahr 2020 gehören zwei, die es nicht leicht miteinander haben: 1.
Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch soll auf 20
Prozent steigen. 2. Der Anteil der Industrie an der
Wirtschaftsleistung auch. Das muss kein Widerspruch sein. Aber ein
Spannungsverhältnis ist es allemal, und Deutschland - führender
Industriestandort der EU, der sich zugleich an der radikalsten
Umsteuerung der Energieversorgung versucht - ist sein
Hauptschauplatz. Dass dies nicht mehr...
- RNZ: "Äußerst gewagt" - Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg) zu Hessen/Schwarz-Grün Heidelberg (ots) - Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, mag sich
Hessens Grünen-Chef Tarek Al-Wazir gedacht haben, als er auf
Schwarz-Grün zusteuerte. Doch sein Wagnis beginnt mit schlechten
Karten. Das Projekt könnte daher für die hessische Ökopartei im
Desaster enden.
Erster Knackpunkt: die Ressortverteilung. Nicht nur, dass zwei
Ministerposten gegenüber acht CDUlern plus Ministerpräsident
eindeutig zu wenig sind. Auch die Fokussierung ist gefährlich. Für
die Grünen mag es zwar eine Frage der Ehre sein, die Energiewende zu mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Opposition im Bundestag
Vorteil Grün
ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Das Los der Nichtregierungsfraktionen im
Bundestag ist nicht einfach. Zu erdrückend ist die Mehrheit der
Großen Koalition. Das bedeutet für die Opposition, dass sie sich
stärker auf das Wesentliche beschränken muss. Nach den ersten
Rededuellen im Bundestag steht es zwischen den beiden
Oppositionsparteien 1:0. Vorteil Grün gegenüber der Linkspartei.
Katrin Göring-Eckardt nahm die Europadebatte zum Anlass, um über
Werte zu reden. Die werden derzeit besonders von den Menschen in der
Ukraine verteidigt. Von der Bundesregierung mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|