Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Rentenpolitik der schwarz-roten Koalition
Geschrieben am 19-12-2013 |
Regensburg (ots) - von Reinhard Zweigler, Mz
Kaum ein paar Tage im Amt zeigt Schwarz-Rot erste Anzeichen von
Arroganz der Macht. Leider. Die satte Vier-Fünftel-Mehrheit von Union
und SPD verführt offenbar dazu, auch ernsthafte verfassungsrechtliche
Bedenken über Bord zu werfen, wenn nur Koalitionsziele durchgepaukt
werden können. Das Verfahren jedenfalls, mit dem das Gesetz zur
Verhinderung niedrigerer Rentenbeiträge durchgezogen wird, lässt
Verfassungsrechtlern die Haare zu Berge stehen und verheißt für
künftige schwarz-rote Vorhaben nichts Gutes. Dabei steht die neue
Koalition in der von der Union verursachten Bredouille: Es soll mehr
Mütterrente geben, was gut und richtig ist. Aber das Geld dafür wird
nicht etwa aus dem Steuertopf genommen, der für solche
"versicherungsfremden" Leistungen da ist, sondern aus den Beiträgen
von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Obendrein ist die gestrige
Begründung für den ungenierten Griff in die Rentenkasse hanebüchen.
Von dem derzeitigen dicken Plus auf dem Rentenkonto stammten doch
zehn Milliarden Euro aus dem Staatssäckel, erklärte ein
Unions-Abgeordneter. Aber dieses Geld stammt doch wohl auch nicht vom
Himmel, sondern von den Steuerbürgerinnen und -bürgern. Und warum
dann nicht gleich die komplette Finanzierung der Mütterrente aus dem
Steueraufkommen? Horst Seehofer, der eifrigste Verfechter der
Mütterrente, plauderte unterdessen aus dem Nähkästchen. Langfristig
müssten die Gelder für die milliardenschweren Ruhegelder von Müttern
steuerfinanziert werden. Recht hat er, wenn man nur an die
demografische Entwicklung, eine zunehmende Zahl von älteren Menschen
und eine sinkende Zahl von Beitragszahlern denkt. Doch gleichzeitig
räumt der bayerische Löwe ohne viel Federlesens ein, dass die
Beteuerungen vor der Wahl - keine Steuer- und Abgabenerhöhungen -
doch wohl nicht so ernst gemeint gewesen sind. Man kann das auch -
böse formuliert - Wählerbetrug nennen. Eine schlagkräftige Opposition
im Bundestag, die dieses Geschacher anprangern könnte, gibt es leider
nicht. Und die Wirtschaft, die gestern pflichtgemäß, aber nur lau
protestierte, wird ohnehin kaum noch ernst genommen. Die schwarz-rote
Arroganz der Macht, deren Grundzüge inzwischen zu besichtigen sind,
gibt es auch, weil wirksame, demokratische und öffentliche Gegenwehr
kaum vorhanden ist. Hinzu kommt, dass die - noch - freudetrunkenen
Regierungspartner ganz langsam auf die ersten größeren Hürden
zusteuern, die sie im Koalitionsvertrag nicht ausgeräumt haben. So
wird der Mindestlohn zwar kommen, im Prinzip flächendeckend. Doch was
das genau heißt, ist unklar. Die neue SPD-Arbeitsministerin Andrea
Nahles wird nicht müde, den Mindestlohn für alle und jeden Job ab
2017 zu loben. Doch macht die gleiche Elle für alle, auch wirklich
Sinn, für jedes Beschäftigungsverhältnis, also etwa auch für
Ferienjobs von Schülern und Studenten? Schon fordert die
Landwirtschaft Ausnahmen für "Saisonarbeiter". Aber was genau sind
Saisonarbeiter, nur jene die auf Spargelfeldern, Obstplantagen und
Weinbergen die Ernte einbringen? Oder auch jene Menschen, die
Versandhändler in der Weihnachtszeit einstellen, oder die auf
Baustellen in der Urlaubszeit arbeiten? Der schwarz-rote
Koalitionsvertrag hat zumeist nur den Rahmen des künftigen
Regierungshandelns beschrieben. Der Streit um die konkrete Politik
von Schwarz-Rot hat gerade erst begonnen.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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