Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Putins Gnadendekrete
Selektive Machtwillkür
Florian Pfitzner
Geschrieben am 19-12-2013 |
Bielefeld (ots) - Wladimir Putin lässt aller Voraussicht nach
Milde walten: Gnade für Russlands bekanntesten politischen Gefangenen
Michail Chodorkowski, Amnestie für die inhaftierten
Punkrock-Musikerinnen von Pussy Riot, Straferlass für die
Arktisdemonstranten von Greenpeace. Kurz vor den Olympischen
Winterspielen in Sotschi landet der russische Präsident einen
erstaunlichen Werbecoup. Grundsätzlich ist es eine erfreuliche
Nachricht, wenn der russische Staat - wohl auch unter dem Eindruck
des Olympia-Verzichts Barack Obamas, François Hollandes und Joachim
Gaucks - durch ein Amnestiegesetz einzelnen Gesellschaftsgruppen wie
jungen Müttern, sozial Schwachen und Menschen mit körperlichen
Handicaps das harte Leben in sibirischen Straflagern erlässt. Zumal
wohl nicht nur die vom Westen kritisierten exemplarischen Gefangenen
Straffreiheit erhalten, sondern womöglich auch einige der 24
festgenommenen Regierungskritiker im sogenannten "Bolotnaja-Fall".
Ganz ausgeschlossen von der Amnestie sind persönliche politische
Gefangene Putins wie der Blogger Alexej Nawalny und der seit zehn
Jahren inhaftierte Kremlkritiker und frühere Unternehmer
Chodorkowski. Stattdessen nehme Russlands Präsident nun ein erstes
Gnadengesuch des früheren Chefs des inzwischen zerschlagenen
Ölkonzerns Yukos auf, heißt es. Ihr Mandant habe nie eine Bittschrift
verfasst, dementierten Chodorkowskis Anwälte prompt und
dokumentierten damit die nebulösen Entscheidungsprozesse im
russischen Riesenreich. Gnadenakt und Amnestiegesetz sind somit ein
weiteres Zeugnis von Putins selektiver Machtwillkür. Querulanten
landen und bleiben durch die politische Justiz nach wie vor hinter
Gittern, harmlosere Gefangene erhalten die Freiheit - je nach Gusto
des Zaren von Moskau. Russland bleibt weit entfernt von einem
Rechtsstaat. Daher sollten vorrangig die Nachbarn in Europa den
aufmerksamen, kritischen Dialog beibehalten. Bereits während der
Proteste nach der Duma-Wahl vor zwei Jahren ließ sich erkennen: Das
Bedürfnis nach Freiheit und Demokratie lebt nicht nur in der Ukraine,
sondern auch in der russischen Zivilgesellschaft.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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