Badische Neueste Nachrichten: Nicht im Tritt
Geschrieben am 20-12-2013 |
Karlsruhe (ots) - Die neue Regierung ist vereidigt, der neue
Bundestag hat seine ersten Beschlüsse gefasst - und die neue
Opposition? Die ist in weiten Teilen zwar die alte, grün und
dunkelrot, viel von ihr gesehen aber hat die Republik in der
vergangenen Woche weiß Gott nicht. Wäre da nicht Gregor Gysi, der
telegen den Chefankläger der Großen Koalition gibt: Die Opposition
hätte ein ernstes Wahrnehmungsproblem. An den kurzen Redezeiten im
Parlament und an der gegenwärtigen Rechtslage, die Grünen und Linken
noch nicht einmal das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses
erlaubt, liegt das nur zum Teil - um dies zu ändern, muss auch nicht
die Verfassung geändert werden, wie Gysi das fordert, sondern
lediglich die Geschäftsordnung des Bundestages. Dass die Opposition
drei Monate nach der Wahl noch immer nicht richtig in Tritt gekommen
ist, hat sie auch sich selbst zuzuschreiben: Die Linken sind mit
ihrem Frontmann Gysi de facto zu einer Ein-Mann-Partei geworden, weil
im Schatten des begnadeten Selbstvermarkters kaum neue Talente
gedeihen. Und die Grünen sind noch viel zu sehr mit ihrem
Generationswechsel beschäftigt als dass sie den Platzhirschen von
Union und SPD schon die Stirn bieten können. In einem Parlament, in
dem zwei Fraktionen eine alles erdrückende Mehrheit befehligen, darf
sich Oppositionsarbeit nicht nur in routiniert vorgetragenen
Redebeiträgen und oberflächlichen Fernseh-Interviews erschöpfen. Um
mit ihrer Kritik wahrgenommen zu werden, um selbst Themen zu setzen,
müssen Grüne und Linke ihre Finger publikumswirksamer als bisher in
die Wunden der Regierung legen, kreativer werden, spontaner und
pointierter. Bei der Debatte um die Rentenreform, dem ersten
ordnungspolitischen Sündenfall der neuen Koalition, ist ihnen das
nicht gelungen. Sie war in gewisser Weise symptomatisch für den
Spagat, in dem sich die Opposition die nächsten vier Jahren strecken
muss: Zwei Parteien, die schwer mit der SPD geflirtet haben, müssen
nun einer Regierung auf die Finger sehen, deren Arbeitsprogramm stark
sozialdemokratische Züge trägt.
Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung@bnn.de
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