DER STANDARD-Kommentar: "Bildungspolitik braucht Mut" von Conrad Seidl
Geschrieben am 22-12-2013 |
Fragen der Schul- und Hochschulorganisation verstellen den
Blick auf Wesentliches (Ausgabe ET 23.12.2013
Wien (ots) - Die ÖVP ist beleidigt. Da sagt doch die
Unterrichtsministerin geradeheraus, dass sie in der Bildungspolitik
mehr umsetzen will, als im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung
festgeschrieben ist. Solcher Wille zur Mehrarbeit ist höchst
verdächtig, schließlich weiß man ja bei Gabriele Heinisch-Hosek, wo
diese Mehrarbeit passieren soll: Die Ministerin baut unverdrossen an
einem Gebäude, das Gesamtschule heißt und auch nach mehr als 40
Jahren bildungspolitischer Diskussion, etlichen organisatorischen
Korrekturen und sogar der Umbenennung in Neue Mittelschule in der ÖVP
nicht mehrheitsfähig ist.
Die ÖVP ist aber nun einmal der Koalitionspartner der SPÖ - obwohl
vielen Sozialdemokraten (und der Mehrheit der übrigen Bevölkerung
sowieso) klar ist, dass die beiden Parteien schlecht zusammenpassen.
Schon gar in der Schulpolitik.
Wenn man die Schule wirklich verändern, von Grund auf verbessern
wollte, dann müsste man das ganze System aufbrechen, neue
Bildungsziele für eine sechsklassige Volksschule (die ja schon immer
eine Gesamtschule war) und für je eine dreiklassige Mittel- und
Oberstufe definieren. Dass sie sich das nicht zutrauen, haben die
Koalitionspartner implizit zugegeben, als sie den Plan fallengelassen
haben, eine "Orientierungsphase" für die zehn bis zwölf Jahre alten
Kinder einzuführen.
Wissen die Beteiligten denn nicht, dass Bildung unser höchstes Gut
ist; dass sie die beste Chance auf individuelle Entwicklung (und
volkswirtschaftlich: auf allgemeinen Wohlstand) bietet? Ja, eh. Sie
sagen es ja auch in Sonntagsreden, Montagsgesprächen und bei jeder
anderen sich bietenden Gelegenheit. Und sie verwechseln dennoch immer
wieder Schulpolitik mit Bildungspolitik.
Es ist ja so: Während sich Schul- und Hochschulpolitik verbissen
mit von Partikularinteressen überlagerten organisatorischen Fragen
herumschlagen, zu denen neben der Gesamtschule auch das
Lehrerdienstrecht, die Lehrerbildung und die Organisation des
Wissenschaftsministeriums gehört, reicht ein wohlverstandener
Bildungsbegriff viel weiter.
Interessanterweise passiert dort, wo die öffentliche
Aufmerksamkeit geringer ist, durchaus Bahnbrechendes. Das
verpflichtende Kindergartenjahr hat (mit erstaunlich wenigen
ideologisch gefärbten Nebengeräuschen) dafür gesorgt, dass
Kindergärten heute als pädagogische Einrichtungen und nicht mehr nur
als Kinderbetreuungsplätze zur Entlastung berufstägiger Eltern
verstanden werden.
Einen vielleicht noch größeren Effekt hat womöglich, dass die
Koalition in aller Stille vereinbart hat, die Schulpflicht in Form
einer Ausbildungspflicht um satte drei Jahre zu verlängern. Kein
Jugendlicher soll mehr zum Hilfsarbeiter werden. Kein Jugendlicher
soll mehr nach Abbruch von Schule oder Lehre ohne Perspektive auf der
Straße stehen. Umgekehrt: Kein Jugendlicher soll mehr scheitern, weil
er eben keine freie Lehrstelle findet. Mit der paktierten
Ausbildungspflicht gibt es bald auch einen Rechtsanspruch darauf,
ausgebildet zu werden. Das sollte sich mittelfristig in besseren
Arbeitsmarktdaten auswirken.
Hier scheint der Koalition also etwas zu gelingen. Vielleicht
bringt sie ja doch auch im Schulwesen im engeren Sinn etwas zustande
- wenn die Partner Fantasie entwickeln, statt aufeinander beleidigt
zu sein.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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