Rheinische Post: Kommentar: Macht hoch die Tür!
Geschrieben am 23-12-2013 |
Düsseldorf (ots) - Würden Maria und Josef heute bei uns anklopfen,
bliebe die Tür womöglich verschlossen: Kein Platz in der Herberge -
nicht mal in der Krippe! Wie damals Bethlehem sieht sich hierzulande
nahezu jede Stadt außerstande, Menschen aufzunehmen, die keine Bleibe
haben. Zwei Drittel der Deutschen sorgen sich, dass Migranten die
Sozialsysteme aushöhlen und Konflikte verursachen. Krasse Einzelfälle
von Missbrauch der Gastfreundschaft - und eine halbherzige Handhabung
bestehender Gesetze - schüren die Ängste der Mehrheit in unserem
Lande. Mehrheiten aber bestimmen das Handeln der Politik. Ein böser
Kreislauf: Gerade einmal 10 000 Verfolgte dürfen aus dem
Bürgerkriegsland Syrien zu uns kommen! Können wir uns mehr nicht
leisten? Die Bilder von untergegangenen Schiffen und Leichen am
Strand von Lampedusa bewegen uns - vorübergehend. Werden sie nicht
mehr in unsere Wohnzimmer gesendet, schaltet sich auch unser
Problembewusstsein ab. Das Elend aber bleibt. Lampedusa ist Sinnbild
dafür, dass sich weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht
befinden. Sie fliehen vor Krieg und Not, Verfolgung und Hunger. Aus
Sehnsucht nach einem menschenwürdigen Leben in Freiheit riskieren sie
alles - sogar ihr Leben und das ihrer Kinder. Viele scheitern . . .
Die Bezeichnung Armutsflüchtlinge qualifiziert sie ab zu lästigen
Bittstellern - zu einer vermeintlichen Gefahr für Wohlstand und
Frieden in den gesättigten Wirtschaftszonen der westlichen Welt. Der
Begriff schürt die Angst vor Enteignung und verschweigt die
Möglichkeiten der Gegenseitigkeit! Gleichzeitig suggeriert er die
Beendbarkeit der Völkerwanderung durch harte Abschottung: Die USA
errichten eine Süd-Mauer, die EU verrammelt Lampedusa und Gibraltar.
Sogar die inneren Grenzen Europas schließen sich wieder. Solange
internationale Tragödien dem nationalen Egoismus unterworfen werden,
sind Lösungen fern. Der Umgang mit dem Fremden ist seit
Menschengedenken mit Ängsten und Mühe verbunden und bringt
innenpolitisch kaum Wählerstimmen. Dabei kann es doch längst nicht
mehr um ein "ob" oder "ob nicht" gehen, sondern nur noch um ein
"wie"! Längst nicht mehr um die Verteilung von Almosen, als die sich
Asylpolitik und Entwicklungshilfe lange missverstanden haben. Es geht
um die Anerkenntnis einer Verantwortung für eine menschliche Welt!
Die Kernfrage lautet: Was können / wollen / müssen wir tun? "Macht
hoch die Tür", ist nur ein Teil unserer Aufgabe, menschliche Not zu
lindern, ein anderer lautet: Geht auch an die Quelle des Elends.
Aufnahme hier - und Hilfe zur Selbsthilfe dort, wo die Menschen
herkommen! Dabei fehlt es, weiß Gott, nicht am Geld. Es fehlt vor
allem am Mut und Verantwortungsbewusstsein derer, denen es gut geht.
Anderen Asyl zu gewähren, ihnen einen Platz in der "Herberge
Deutschland" einzuräumen, erfordert die Bereitschaft zum Verzicht.
Das fällt uns nicht leicht, weil wir den Wohlstand als selbst
erarbeitetes Verdienst ansehen und nicht als Glücksfall, weil
Dankbarkeit die Erkenntnis voraussetzt, etwas geschenkt bekommen zu
haben. Die Deutschen sind davon überzeugt: Uns hat niemand etwas
geschenkt! Doch auch ihnen wurde geholfen. Erinnern wir uns. Und
nehmen wir die Botschaft von Weihnachten ernst: Eine Geschichte, wie
sie zeitgemäßer nicht sein könnte: Die Geschichte von einem
Neugeborenen fern der Heimat, der in einem Stall das Licht der Welt
erblickt, um selber zum Licht der Welt zu werden. Gläubige Menschen
akzeptieren die gottgegebene Verantwortung für das Teilen als eine
Grundlage ihrer Religiosität. Selbst muslimische Mitbürger feiern mit
Freude die christlichen Feste des Schenkens: St. Martin, Nikolaus -
und Weihnachten. Hier kommt der tapfere Versuch des südamerikanischen
Papstes, nicht nur auf persönlichen, sondern auch auf kirchlichen
Prunk zu verzichten, zur rechten Zeit. Er zeigt, dass Glaube, Demut
und Barmherzigkeit verkrustete Strukturen verändern können.
Franziskus macht Mut, indem er den Bootsflüchtlingen die Hand reicht.
Eine frohe Botschaft: Weihnachten 2013 eher als "Macht hoch die Tür!"
denn bloß als "Oh Tannenbaum!
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621
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