Badische Zeitung: Frankreich und die Atomkraft: Vertane Chance
Leitartikel von Axel Veiel
Geschrieben am 26-12-2013 |
Freiburg (ots) - Es ist, als hätte es die Katastrophe von
Fukushima nie gegeben, als seien nicht weltweit Zweifel am Segen der
Kernkraft aufgekommen. Frankreichs Atomindustrie ist groß im
Geschäft. Der neue Druckwasserreaktor EPR hat sich zum
Verkaufsschlager entwickelt. Der französische Stromriese EDF hat den
Auftrag erhalten, in Großbritannien zwei Atommeiler des Typs zu
bauen, dessen doppelter Betonmantel einen Flugzeugabsturz überstehen
soll. Es winkt ein Nettogewinn von zwei Milliarden Euro. Der
französische Atomkonzern Areva vermeldet ebenfalls spektakuläre
Erfolge. Mit dem japanischen Branchenführer Mitsubishi Heavy
Industries haben die Franzosen den erdbebensicheren Reaktor Atmea
entwickelt. Die Türkei will ihn kaufen. Im eigenen Land scheint für
die Atomindustrie ebenfalls alles wieder im Lot. 19 Kernkraftwerke
mit 58 Reaktoren decken 75 Prozent des Strombedarfs. In der Heimat
Bequerels und des Ehepaares Curie, den Entdeckern der Radioaktivität,
hat der Mythos der Atomkraft die auf Fukushima folgenden
Erschütterungen weitgehend unbeschadet überlebt. Sie steht für
nationale Stärke und Unabhängigkeit. Dank der einst von General de
Gaulle getroffenen und von sämtlichen Nachfolgern im Elysée-Palast
gutgeheißenen Entscheidung für die Kernenergie erfreut sich
Frankreich einer auf atomarer Abschreckung beruhenden militärischen
Sicherheit und einer von Öl- und Gasimporten weitgehend unabhängigen
Energieversorgung - das war, das ist das Credo. Gewiss, nach dem
Reaktorunglück von Fukushima musste die Atomindustrie Rückschläge
einstecken. Deutschland beschloss, aus der Kernkraft auszusteigen.
Länder wie die Schweiz, Italien und die USA stornierten Projekte.
François Hollande, damals noch nicht Staatschef, sondern
Präsidentschaftskandidat, versprach, den Anteil der Atomenergie bis
zum Jahr 2025 auf 50 Prozent zu senken. Auch kündigte der Sozialist
an, den ältesten Atommeiler des Landes, das Kernkraftwerk Fessenheim,
bis Ende 2016 stillzulegen. Doch das Ziel, die Abhängigkeit von der
Atomkraft zu verringern, scheint auf der Prioritätenliste des
Präsidenten angesichts der Wirtschaftskrise weit nach unten
gerutscht zu sein. Der Erfolg der Atomindustrie, die 125000 Menschen
Arbeit gibt, ist ein Lichtblick im wirtschaftlichen Dunkel. Sie
auszubremsen, dazu rufen zurzeit nicht einmal Frankreichs Grüne auf.
Die Bevölkerung, die drei Monate nach Fukushima zu 60 Prozent einen
Ausstieg aus der Kernenergie befürwortet hatte, plädiert zwar zu 53
Prozent noch immer für das Prinzip des Umdenkens. Ganz oben auf der
Prioritätenliste stehen für die Franzosen aber niedrige Strompreise.
Sicherheit und Umweltfreundlichkeit der Energiegewinnung rangieren
auf den Plätzen zwei und drei. Was die Stilllegung des Akw
Fessenheim betrifft, so müssten die Behörden einen beeindruckenden
Endspurt hinlegen, soll das Wahlversprechen eingelöst werden, bevor
2017 womöglich ein anderer Präsident andere Wege weist. EDF hat
Pläne vorgelegt, wie die Lebensdauer altersschwacher Reaktoren
verlängert werden könnte. Der Konzern gedenkt 55 Milliarden Euro in
den Erhalt der alten Meiler zu investieren. Dies würde den
Strompreis verteuern. Mit Produktionskosten von 54 Euro die
Megawattstunde wäre er aber noch immer vergleichsweise günstig. Hinzu
kommt, dass Deutschlands Ausstieg aus der Atomenergie nicht eben zur
Nachahmung anregt. Der Rückgriff auf fossile Brennstoffe, der damit
einhergehende Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase, steigende
Strompreise - den Franzosen scheint das nicht vorbildlich. Nach
Fukushima hatten Frankreichs Grüne und ihnen nahestehende Verbände
haben 2011 die Chance beschworen, in Frankreich einen
Bewusstseinswandel herbeizuführen. Wenn es die Chance denn je gegeben
hat, dann ist sie vertan.
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