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DER STANDARD - Kommentar "Ein "Putsch" für den Machterhalt" von Markus Bernath

Geschrieben am 26-12-2013

Türkischer Premier verbiegt Demokratie, um
Korruptionsermittlungen zu stoppen - Ausgabe vom 27.12.2013

Wien (ots) - Dem ägyptischen Autokraten Hosni Mubarak hat Tayyip
Erdogan einmal einen guten Tipp gegeben: "Vergiss nicht, wir sind
alle sterblich und werden beurteilt nach dem, was wir hinter uns
gelassen haben." Für sich selbst lässt der türkische Premier das im
Moment nicht gelten. Tayyip Erdogan kämpft gegen "dreckige
Operationen", Agenten, Banden und andere Windmühlen, die ihm den
Platz an der Macht rauben wollen. Verwundert blicken die Türken wie
das Ausland auf den rasenden Regierungschef, der
Korruptionsermittlungen der Justiz nur als Angriff auf seine Person
sieht. Und weil sich Erdogan mittlerweile als fleischgewordener Staat
begreift, wird daraus ein Angriff auf die Türkei.
Verschwörungstheorien müssen zur Erklärung herhalten, nachgeplappert
vom Außenminister, und - noch sehr viel schlimmer - autokratische
Anweisungen per Dekret hebeln die demokratische Gewaltenteilung aus:
Justiz und Polizei werden auf Erdogan-Kurs gebracht. Bei 500
Amtsversetzungen soll der Zähler nun eine Woche nach der Festnahme
dreier Ministersöhne stehen. Die Führungsetagen der Polizei in
Istanbul, Ankara und Izmir sind ausgetauscht worden. Polizeibeamte
haben ihre Vorgesetzten künftig über Ermittlungen zu unterrichten.
Damit soll verhindert werden, dass die Staatsanwaltschaft tätig
werden kann, ohne dass es Minister und Premierminister wissen. Vor
allem die Minister für Justiz und Inneres im neuen Krisenkabinett
werden Polizei und Staatsanwälte an kurzen Zügeln halten. Erdogans
"Putsch" endet hier nicht. Auch die Medien werden nach den so
peinlichen Razzien gegen die Ministersöhne und deren Geschäftspartner
nochmals gemaßregelt. Journalisten ist künftig der Zugang zu
Polizeidienststellen untersagt, um keine mündlichen Informationen von
Ermittlern zu erhalten; die Kolumnistin einer regierungstreuen
Zeitung wurde wegen eines Erdogan-kritischen Textes entlassen. Ebenso
trifft die Wut des Premiers die Unternehmen. Nach den Gezi-Protesten
schickte die Regierung die Steuerfahndung zu Koc, der größten
Industriegruppe der Türkei, weil das Unternehmen Sympathien für die
Demokratieforderungen der Demonstranten gezeigt hatte. Ähnlich ergeht
es nun Unternehmergruppen des islamischen Netzwerks, das der Prediger
Fethullah Gülen, graue Eminenz und Gegenspieler des Premiers,
unterhält. Die Ermittlungen zur möglichen Bestechung von Ministern
könnten von Gülen-Anhängern in der Bürokratie betrieben werden als
Revanche gegen die Politik des Premiers, der das fromme Gegenlager
ausschalten will. Doch dies ist zweitrangig. In einem Rechtsstaat
lässt die Exekutive Richter und Staatsanwälte die Arbeit tun, die
ihnen zusteht. Das Problem ist: Der türkische Regierungschef will
sich nicht an diese Spielregeln halten. Denn es ist ein Spiel, das
Tayyip Erdogan nicht ganz kontrollieren kann und den Verkaufsschlager
der seit elf Jahren regierenden konservativ-muslimischen Partei
zunichte macht: die Moral und den Wirtschaftsaufschwung. Beides ist
nicht so ganz wahr, lassen die Ermittlungen der türkischen Justiz
vermuten. Die Korruption in der türkischen Politik endete nicht mit
einem Schlag 2002, als die AKP gewann; und vom Boom mögen am Ende nur
eine riesige Immobilienblase und hoffnungslos verschuldete
Privathaushalte bleiben.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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