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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar 2014 - Chancen und Risiken Ein Jahr für Europa THOMAS SEIM

Geschrieben am 30-12-2013

Bielefeld (ots) - Vor uns liegt 2014 - das Jahr der Europawahl. Es
ist ein Jahr, das uns die Chance bietet, Europa neu zu entdecken. Das
wird nötig sein, denn der europäische Gedanke hat viel von dem Reiz
verloren, den er lange Jahre für die breite Mehrheit der Europäer als
Garant für Freiheit, Handel und Wohlstand besaß. Auch für uns
Deutsche. Denn wir sind wieder wer. Zwar gingen uns vermeintliche
Gewissheiten verloren, zum Beispiel die, dass befreundete Nationen
wie Großbritannien oder die USA niemals das Telefon unserer
Bundeskanzlerin abhören würden. Aber Reformen haben Deutschland
ökonomisch wieder an die Weltspitze geführt. Vor uns liegt 2014 - das
Jahr der Fußball-WM in Brasilien. Am Tag vor Heiligabend, kurz vor
der Tagesschau, gab es zum ersten Mal die TV-Ansprache eines
"Fußballministers". Der Brasilianer Edson Arantes do Nascimento -
besser bekannt unter dem Namen Pelé - bat darin um Gnade. Als
Werbeblock für den größten deutschen Autokonzern bescheinigte er den
Deutschen, sie bauten schon die besten Autos, da dürften sie den
Brasilianern nicht auch noch den WM-Titel im eigenen Land streitig
machen. Witzig gemacht. Man schmunzelt und erwischt sich bei dem
Gedanken: So weit kommt's noch. Selbstverständlich wollen wir den
Titel. Was hat das mit Autos zu tun? Viel. Die Symbolik des starken
Deutschlands ist für uns selbst attraktiv. Unsere Nachbarn, die
schwachen vor allem, macht sie misstrauisch. Bundeskanzlerin Angela
Merkel neigt - wie viele deutsche Ökonomen und Politiker - dazu, aus
der ökonomischen Überlegenheit immer stärker auch politische Vorgaben
für unsere Nachbarn zu artikulieren, zuletzt beim vorweihnachtlichen
EU-Gipfel in Brüssel. Doch je stärker Deutschland die politische
Unterwerfung der Nachbarn aus dem wirtschaftlichen Erfolg der
Bundesrepublik ableitet, desto größer werden die Zentrifugalkräfte
der EU. Das war in Brüssel schon am Widerstand gegen Merkel zu
spüren. Ohne die EU aber verliert Deutschland. Der größte Teil des
deutschen Wachstums entsteht im Handel mit der EU. China ist ein
interessanter Markt, ja. Aber das Riesenreich mit weit über einer
Milliarde Menschen steigt derzeit zur ökonomischen Weltmacht auf.
Hinter China lauern Indien, Russland, Südafrika auf ihre Chance. Und
Brasilien. Deutschland mit seinen 80 Millionen Menschen wird in
dieser Konkurrenz nur mit der EU bestehen können. Die EU aber wird
nur zusammenbleiben, wenn es gelingt, die Interessen kleinerer
Staaten in einen Ausgleich mit denen der Schwergewichte zu bringen.
Je stärker ein Land - Deutschland - das ökonomische Zentrum der EU
wird, desto größer wird die Notwendigkeit, sich politisch höchstens
auf Augenhöhe mit den Nachbarn zu bewegen - ganz gleich wie groß sie
sind. Vor 100 Jahren haben die Europäer diese Maxime des Friedens
nicht beachtet. Das hat in einen verheerenden Krieg geführt und das
20. Jahrhundert zum brutalsten mit bis dahin ungekannten Opferzahlen,
Vertreibungen, Vernichtungswaffen gemacht. Zum 100. Jahrestag dieses
Kriegsbeginns sind wir von Freunden umgeben. Aber uns ist die
Empathie für die Basis dieses Friedens und dieser Freiheit verloren
gegangen: Das ist die EU. Vor uns liegt 2014 - das Jahr, in dem wir
das gestärkte Europaparlament neu wählen. Diese Wahl ist eine Chance,
nationale Egoismen zu beherrschen und die Grundlagen für die
Konkurrenzfähigkeit des alten Kontinents gegen neue Welten in Ost und
West zu bestätigen. Wenn das die Richtung der deutschen Politik 2014
ist, dann wird es unseren Nachbarn in Europa leichter fallen, Pelés
"Gnadengesuch" abzulehnen - und Deutschland zum WM-Titel zu
gratulieren.



Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


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