DER STANDARD - Kommentar: "Ein Bewährungsjahr für Europa" von Thomas Mayer
Geschrieben am 01-01-2014 |
"2014 bringt zukunftsentscheidende EU-Wahlen und wahrhaft
historische Jubiläen" (Ausgabe vom 2.1.2014)
Wien (ots) - Europa geht 2014 in das spannendste Wahljahr seit
Einführung der Direktwahl der Abgeordneten des EU-Parlaments 1979.
Aber es kann - bei allen Problemen in einigen Mitgliedstaaten nach
fünf Jahren Finanz-, Wirtschafts- und Bankenkrise, Eurodepression wie
Wachstums- und Beschäftigungskrise - keine Rede davon sein, dass die
EU auseinanderbrechen könnte, wie Untergangspropheten und
Verschwörungstheoretiker seit Jahren voraussagen. Stattdessen spricht
einiges dafür, dass die historisch so konflikt- und
kriegsorientierten Nationalstaaten des alten Kontinents im Zuge der
europäischen Integration seit 1957 die wichtigsten Lektionen gelernt
haben. Sie lassen sich, wenn es hart auf hart geht, nicht mehr
auseinanderdividieren oder einander fallen. Sie helfen einander, auch
zu einem hohen Preis. So ist Griechenland weiter voll dabei (als
EU-Mitglied seit 1981 nach der Überwindung der Militärdiktatur). Und
es hat weiterhin den Euro als Zahlungsmittel. Das Land führt nun (zum
fünften Mal) auch noch den EU-Vorsitz. Nichts spricht dagegen, dass
es diese Arbeit mit den EU-Institutionen klaglos über die Bühne
bringen wird. Die das Ausscheiden der Griechen aus Euro bzw. EU
verlangt oder vorausgesagt haben, behielten unrecht. Nicht weniger
bedeutend ist die Tatsache, dass Lettland am Neujahrstag als 18.
Mitglied der Währungsunion den Euro eingeführt hat. Litauen wird bald
folgen. Damit wären dann (mit Estland) jene drei baltischen Staaten,
die nach den Umbrüchen 1989 Freiheit und Demokratie gegen
Panzertruppen der Sowjetunion erkämpft haben, an der Spitze der
friedlichen Einigung in Europa angekommen. Warum ist es so wichtig,
gerade das zu erwähnen? Und gerade zu Beginn des Europawahljahrs?
Weil 2014 realpolitisch und symbolisch ein ganz besonderes Jahr der
Bewährung werden könnte. Oder des Rückschlags. Im Sommer 2014 wird es
hundert Jahre her sein, dass der "Große Krieg", die Urkatastrophe,
der Erste Weltkrieg begann. Im Frühjahr wird es 25 Jahre her sein,
dass mit den runden Tischen in Polen der Fall des Eisernen Vorhangs,
das Ende kommunistischer Herrschaft in Osteuropa eingeleitet wurde.
In Österreich fand im Juni vor 20 Jahren das Referendum zum
EU-Beitritt statt. All diese Jubiläen bieten uns Bürgern Anlässe ohne
Ende, einmal grundsätzlich darüber nachzudenken, was uns die
Europäische Union wert ist; wo Europa, das in zwei, drei Jahrzehnten
global kaum noch wirtschaftliche und demografische Bedeutung haben
wird, als Ganzes eigentlich hin will; welche politischen Kräfte
gestärkt werden sollen; was uns im politischen Leben im eigenen Staat
wie in der gemeinsamen Union guttut - und was eher schaden könnte.
Dazu muss es einen klaren, scharfen Parteienwettbewerb geben. Die
Kernfrage ist, ob es eine gute Idee wäre, das Projekt der
schrittweisen Integration einer Gemeinschaft von Nationalstaaten, in
der Grundrechte, pluralistische Gesellschaft, Toleranz und soziale
Marktwirtschaft die Ziele sind, aufs Spiel zu setzen. Quer durch
Europa sprießen radikale Gruppen, die das fordern - links wie rechts.
Ein Blick auf den Maidan von Kiew in der Ukraine, wo Silvester von
Tausenden als Freiheitsfest Richtung Europa gefeiert wurde, schadet
dabei nicht. Denn gleichzeitig zeigt der russische Demokratielenker
und EU-Nachbar "Zar" Putin, was er von Menschenrechten und Opposition
hält: wenig bis nichts. 2014 hat?s in sich.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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