Badische Zeitung: Der Fall Pofalla: Karenzzeit für Lobbyisten
Leitartikel von Karl-Heinz Fesenmeier
Geschrieben am 07-01-2014 |
Freiburg (ots) - Ist es unerhört, vom bisherigen Kanzleramtschef
Ronald Pofalla einen Verzicht auf den Wechsel in den Vorstand der
Deutschen Bahn zu verlangen? Oder ist es unerhört, einem Politiker
einen solchen Wechsel zu verbieten, bloß weil er keine Lust mehr hat
auf Politik und mal was anderes machen will? Wir wollen ja eigentlich
sowieso keine Berufspolitiker, auch wenn das ziemlich weltfremd ist.
Die Beantwortung dieser Fragen lag bisher ausschließlich im
Ermessensspielraum der handelnden Personen. Regeln gibt es nicht -
zumindest in Deutschland. Das könnte sich nun ändern. Wo
Fingerspitzengefühl und der Instinkt fehlen, das eigene Verhalten in
Einklang mit allgemeinen ethischen Normen zu bringen, helfen nur
klare Regeln. Wie nötig das ist, zeigt das Beispiel Pofalla. Der
gerade ausgeschiedene Kanzleramtsminister wäre als
Vorstandsmitglied der Bahn ausschließlich für Kontakte zur Politik
zuständig. Mit anderen Worten: Ein Unternehmen kauft sich
Verbindungen direkt in die Machtzentrale des Landes sowie ein
exzellentes Insiderwissen über Planspiele und Entscheidungsabläufe
innerhalb des Kanzleramts. Das Unternehmen wüsste genau, wer dort
was zu sagen hat und an wen man sich wenden müsste, um die eigenen
Belange voranzutreiben. Der Parteienforscher Herbert von Arnim
bezeichnet das schlicht als gekaufte Korruption. Dass die Bahn dem
Bund gehört, tut dabei nichts zur Sache. Auch die Motive Pofallas
stehen im Zwielicht. Er versilbert seine Kontakte und sein
Insiderwissen, das er sich als Chef des Kanzleramts - und als
gewählter Abgeordneter - erworben hat. Er wäre bei der Bahn ein
lupenreiner Lobbyist. Aus Sicht des Unternehmens sicher eine rentable
Investition. Genauso wie Eckart von Klaeden, der Staatsminister im
Kanzleramt war und dessen Dienste sich Daimler gesichert hat. In
beiden Fällen geht es auch darum, über Berlin Einfluss auf Brüssel
zu nehmen, wo manches in den Schubladen liegt, was diesen Konzernen
nicht schmeckt. Aber kann Demokratie so billig sein? Lässt sich in
Deutschland politischer Einfluss so einfach kaufen? Es scheint so.
Die Politik hätte schon längst handeln müssen. Anlässe gab es genug.
2005 übernahm Gerhard Schröder, nachdem er als Kanzler abgewählt
worden war, ohne Schamfrist den Aufsichtsratsposten bei der
Ostseepipeline-Gesellschaft Nord Stream - ein Projekt, das er als
Kanzler zusammen mit dem russischen Präsidenten Putin selbst
eingefädelt hatte. Auch Helmut Kohl hat sich nach seiner Amtszeit
einen fürstlich dotierten Beratervertrag mit Leo Kirch gegönnt, den
er als Kanzler bei der Einführung des Privatfernsehens unterstützt
hatte. Bei all diesen Fällen haben die Politiker die Interessen des
Amtes und die eines Unternehmens zeitversetzt vermischt - und kräftig
Kapital daraus geschlagen. Sie haben damit der Glaubwürdigkeit der
Politik, die vor allem in ihrer Unabhängigkeit besteht, geschadet.
Deshalb muss der Bundestag rasch einen Kodex entwickeln, der diesem
Treiben Einhalt gebietet. Das Mindeste ist, eine Karenzzeit
einzuführen, in der Politiker nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht
für ein Unternehmen tätig sein dürfen, mit dem sie in ihrer Amtszeit
befasst waren. Wie lange die Zwangspause dauern sollte, ist
umstritten. Eine Kommission könnte das fallabhängig entscheiden.
Mit einem Berufsverbot hat das nichts zu tun. Das zeigt das Beispiel
Roland Koch. Der frühere hessische Ministerpräsident wechselte in den
Vorstand des Baukonzerns Bilfinger Berger. Seit 2011 leitet er
das Unternehmen mit mehr als 65000 Mitarbeitern. Er ist - trotz
eines 80-Millionen-Auftrags beim Frankfurter Flughafen - nicht
Lobbyist, sondern Manager. Koch ging es nicht um den Verkauf seiner
Kontakte, sondern um einen echten Jobwechsel. Ein solcher stünde auch
weiterhin jedem Politiker offen.
Pressekontakt:
Badische Zeitung
Schlussredaktion Badische Zeitung
Telefon: 0761/496-0
redaktion@badische-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
505098
weitere Artikel:
- Lausitzer Rundschau: Etwas Leben in der Bude
Aigner stellt sich gegen Seehofer Cottbus (ots) - Einmal davon abgesehen, dass der Vorschlag der
bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die Energiewende
künftig auf Pump zu finanzieren, eine überaus heikle Lösung des
Kostenproblems wäre, so hat die Idee doch einen charmanten
Nebeneffekt: Endlich kommt etwas Leben in die bayerische Bude.
Endlich hat sich mal jemand unverhohlen gegen den Ministerpräsidenten
des Freistaates und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer gestellt. Mit
allen Risiken und Nebenwirkungen. Seehofer hat in den vergangenen
Monaten seine Partei mehr...
- Badische Zeitung: Aigners Idee zur Energiewende: Prüfung ist angebracht
Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Es war ein kurzer Augenblick der Aufmüpfigkeit.
Ilse Aigner, Wirtschaftsministerin in Bayern, trotzte ihrem Chef, dem
Ministerpräsidenten Horst Seehofer, gerade einmal einen Tag lang.
Dann gab sie klein bei. Gleichwohl verdient der Vorgang Beachtung.
Zum einen ließ die von Seehofer von Berlin nach München beorderte
CSU-Politikerin durchaus aufblitzen, dass sie sich nicht als
Untertanin des großen Vorsitzenden versteht. Aigner ist ein
unabhängiger Geist, auch wenn sie dieses Mal noch nicht ihr junges
Ministeramt mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Energiewende/Strom aus Braunkohle Bielefeld (ots) - Die Energiewende treibt immer kuriosere Blüten:
Für den Endverbraucher wird Strom von Jahr zu Jahr teurer, obwohl an
der Strombörse die Preise fallen. Zugleich sorgen Überproduktionen
dafür, dass Deutschland an manchen Tagen für den Export von Strom
sogar noch selbst zahlen muss! Doch es wird noch paradoxer: Die
klimaschädliche Braunkohle boomt wie zu DDR-Zeiten. Während sich in
Deutschland immer mehr Windräder drehen und immer mehr Solaranlagen
auf die Dächer montiert werden, um möglichst viel Energie ökologisch mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Parteien / SPD / Personalien Osnabrück (ots) - Yasmin wer?
Ralf Stegner wäre eine gute Wahl gewesen: erfahren, aggressiv, den
linken Flügel einbindend. Aber innerhalb wie außerhalb der SPD stößt
er wegen seiner zuweilen anmaßend wirkenden Art auch manchen ab.
Ohnehin hatte der Wunschkandidat des Parteichefs für das Amt des
Generalsekretärs ein nicht zu änderndes Problem: Er ist ein Mann.
Davon gab es unter den führenden Sozialdemokraten bereits genug.
Mit Yasmin Fahimi betritt nun ein absoluter Neuling die partei-
und bundespolitische Bühne. Es wird mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Parteien / CSU Osnabrück (ots) - Seehofers Machtwort
Es ist gut, dass der Vorstoß der bayerischen Wirtschaftsministerin
Ilse Aigner zur Energiewende vorerst nicht weiterverfolgt wird. Der
Weg über einen Streckungsfonds wäre nicht optimal verlaufen. Eine
Finanzierung der teuren Energiewende über Kredite aus dem
Kapitalmarkt hätte künftige Generationen zu sehr belastet. Was Aigner
in München präsentierte, war daher bereits zuvor in den
Koalitionsverhandlungen von Union und SPD in Berlin verworfen worden.
Aigners Ziel ist dennoch richtig: Sie wollte mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|