HAMBURGER ABENDBLATT: Pressespiegel, Hamburger Abendblatt zum Thema Prokon-Insolvenz
Geschrieben am 23-01-2014 |
Hamburg (ots) - GIER MACHT BLIND
Ein Kommentar von Oliver Schade (Hamburger Abendblatt)
Eine hohe Rendite kassieren und gleichzeitig mit seinem
eingesetzten Geld Gutes tun - von dieser Kombination träumt beinahe
jeder Kapitalanleger. Und genau die Erfüllung dieses Traumes
versprach das Unternehmen Prokon aus Itzehoe. In kaum einer Hamburger
S- oder U-Bahn konnte man der Werbebotschaft der norddeutschen
Heilsbringer entgehen. An gefühlt jedem zweiten Fenster klebte das
Versprechen auf mindestens sechs Prozent Zinsen plus
Überschussbeteiligung. Und auf den bunten Marketing-Folien
verwandelte sich das böse, gefährliche Atomkraft-Warnsignal auf
bunten Bildern in gute, saubere Rotorblätter einer Windkraftanlage.
Nun hat Prokon Insolvenz angemeldet, rund 75.000 Anleger bangen um
knapp 1,4 Milliarden Euro Kapital. Aus einem schönen Traum ist
bittere Realität geworden. Und wenn Menschen Geld verlieren, dann
suchen sie meist nach den Gründen - und zwar bei anderen. Dass sie
selbst Fehler gemacht haben, zu gierig, zu blauäugig waren - das
kommt ihnen leider nur allzu selten in den Sinn.
Alle bisher bekannt gewordenen Details deuten darauf hin, dass die
Erfinder und Initiatoren der Prokon-Idee keine Abzocker, keine von
hohen Provisionen getriebenen Schwindler waren. Sie wollten
offensichtlich die Welt in ihrem Sinne verbessern. Raus aus der
unkalkulierbaren Atomenergie, der dreckigen Kohlekraft, stattdessen
rein in die grüne, saubere Welt des Ökostroms. Doch zur Finanzierung
ihrer Energierevolution benötigten sie viel Geld, das sie leider
nicht selbst hatten.
Um es einzusammeln, lockten sie mit Renditen, die selbst für
Finanzlaien auf den ersten Blick überzogen waren. Denn wie kann
jemand in einer Zeit, in der es auf dem Sparbuch deutlich weniger als
ein Prozent Zinsen gibt, ernsthaft auf eine langfristig zugesagte
jährliche Rendite von sechs bis acht Prozent vertrauen? Es war diese
gefährliche Mischung aus Gier und Gutmenschentum, die fast 75.000
Anleger in die Prokon-Falle trieb. Mitleid verdienen sie nicht - und
Schuldzuweisungen an andere Personen oder Institutionen sollten in
diesem Fall auch nicht als Ausrede herhalten.
Denn wer den daumendicken Verkaufsprospekt von Pokon zumindest
zwei Minuten lang durchgeblättert hat, dem sollte der von dem
Unternehmen sogar grafisch hervorgehobene Hinweis auf das Risiko
eines Totalausfalls des eingesetzten Kapitals nicht entgangen sein.
Selbstverständlich kann man sich nun auch über die Blauäugigkeit und
offensichtliche kaufmännische Naivität der Prokon-Initiatoren
aufregen. Und es ließen sich Hunderte von Zeilen über die mangelhafte
Kontrolle der Geldanlagen am Grauen Kapitalmarkt schreiben, zu denen
die ausgegebenen Genussrechte aus der norddeutschen Provinz zählen.
Aber der Fall Prokon ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie
problemlos sich Menschen ihr Erspartes aus dem Portemonnaie ziehen
lassen. Je höher die Rendite, desto höher das Risiko. An diese
Faustformel sollte sich jeder Anleger erinnern, bevor er das nächste
Mal sein Geld anderen Menschen anvertraut.
Neben den finanziellen Folgen für jeden einzelnen Anleger hat der
Fall Prokon auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Gerade in einer
Zeit, in der ein ganzes Land kontrovers über den Energiemix der
Zukunft debattiert, sollte man diesen Insolvenzantrag richtig
einordnen. Für Deutschland führt kein Weg an einem kräftigen Ausbau
der regenerativen Energie vorbei. Daran ändern die massiven Probleme
eines Unternehmens aus diesem Bereich nichts. Die These mag ein wenig
steil klingen: Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Prokon mit
einer deutlich geringeren Rendite von zum Beispiel zwei Prozent sogar
langfristig Erfolg gehabt hätte. Denn die Idee hinter Prokon ist
grundsätzlich eine gute, nur schlecht gerechnet.
Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de
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