Mittelbayerische Zeitung: Das Vertrauen ist zerstört: Die Edathy-Affäre stürzt die große Koalition in eine tiefe Krise. Jetzt sind die Parteichefs gefordert. Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 17-02-2014 |
Regensburg (ots) - Die Union-SPD-Koalition ist gerade einmal zwei
Monate im Amt. Noch keine 100 Tage, die man früher neuen Regierungen
für ihre Startphase zubilligte, ohne sie hart anzupacken. Doch
Schwarz-Rot bringt offenbar das Kunststück fertig, vom Startmodus
übergangslos in den Krisenmodus überzugehen. Das unappetitliche Fall
Edathy wuchs sich zu einer veritablen Koalitionskrise aus. Ob daraus
vielleicht sogar eine schwere Regierungskrise wird, haben maßgeblich
die drei Parteichefs in der Hand. Sie wollen in einem Spitzengespräch
am heutigen Abend die Wogen glätten. Vor allem müssen sie das
zerstörte Vertrauen wieder herstellen. Einfach wird das nicht. Doch
die Alternativen zum Sich-Zusammenraufen und Klartext-Reden hießen:
das Misstrauen zwischen Schwarzen und Roten weiter wuchern lassen,
eine völlig neue Koalition zu bilden - Schwarz-Grün und Rot-Rot-Grün
sind allerdings wenig realistisch. - oder Neuwahlen. So gewichtig ist
der Fall Edathy denn nun auch wieder nicht, dass darüber die gesamte
Regierung straucheln müsste. Der Schaden, der bereits angerichtet
wurde, ist allerdings jetzt schon immens. Viel Vertrauen der Bürger
in diese Groß-Koalition ist zerstört. Das Vertrauen der Koalitionäre
untereinander auch. Was die Situation in Berlin jetzt so vertrackt
macht, ist die schwierige Gemengelage aus politischen, rechtlichen
und moralischen Aspekten des Falles Edathy. In der CSU ist man zu
Recht furchtbar sauer, dass der Ex-Innen - und Ex-Agrarminister
Hans-Peter Friedrich das alleinige Opfer sein soll. Und gerade jetzt,
kurz vor Wahlen in Bayern, muss man dieser "Schmach" resolut
entgegentreten. Der Oberfranke Friedrich hat mit seiner Mitteilung
über den Fall Edathy an Sigmar Gabriel der SPD helfen wollen, in
bester Absicht. Was von Gabriel nun auch ausdrücklich gelobt wurde.
Freilich hat sich Friedrich mit dem Ausplaudern von Interna aus
Kreisen des Bundeskriminalamtes rechtlich angreifbar gemacht. Die
Frage bleibt, warum der Minister überhaupt über die Ermittlungen
informiert wurde. Dass Friedrich im Oktober während der
Koalitionsverhandlungen die Warnung im Fall Edathy weitergab, geschah
zumindest in einer rechtlichen Grauzone. Einen Minister allerdings,
auf dem auch nur der Schein eines Unrechts ruht, kann sich die
Kanzlerin nicht im Kabinett erlauben. Friedrichs Rücktritt war nicht
nur hochanständig, sondern auch rechtlich konsequent. Es war damit
ein Rücktritt, dem durchaus eine politische Wiedergeburt folgen
könnte. CSU-Chef Seehofer sucht offenbar bereits nach einer
gebührenden Anschlussverwendung für den Oberfranken. Zumal der sich
als Landwirtschaftsminister "sauwohl" fühlte. Inzwischen ist aus dem
Ermittlungsfall Edathy auch eine Causa Thomas Oppermann geworden. Der
SPD-Fraktionschef habe die interne Mitteilung Friedrichs ohne Not
ausgeplaudert und öffentlich gemacht, lautet der Vorwurf der CSU.
Doch so nachvollziehbar die Verbitterung bei den Christsozialen über
den SPD-Mann ist, seinen Rücktritt oder Rauswurf aus dem Amt, nach
dem Motto: Auge um Auge und Zahn um Zahn, wird es nicht geben. Einen
politischen "Preis" für das Verbleiben Oppermanns an der
SPD-Fraktionsspitze wird die CSU auch nicht einfordern können. Diese
Rechnung wird offenbleiben - Schwarz-Rot muss dennoch vernünftig
weiter arbeiten.
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