DER STANDARD-Kommentar: "Geschichte wiederholt sich (nicht)" von Josef Kirchengast
Geschrieben am 23-02-2014 |
Timoschenko ist eine Hoffnung, die sich nur mit Hilfe von
außen erfüllen kann (Ausgabe ET 24.02.2014)
Wien (ots) - Geschichte wiederholt sich doch. Mehr als neun Jahre
nach der Orangen Revolution steht die Ukraine dort, wo sie damals
stand: Die proeuropäische Protestbewegung hat gesiegt, Wiktor
Janukowitsch ist abgesetzt, Julia Timoschenko hat die politische
Führung übernommen.
Geschichte wiederholt sich nicht. Denn die Ausgangslage nach dem
Sieg der "Euro-Maidan-Bewegung" unterscheidet sich dramatisch von
jener im Februar 2005. Das "Land an der Grenze" (das bedeutet der
Name Ukraine) mit seinen 45 Millionen Einwohnern steht am Rande des
wirtschaftlichen Bankrotts; Teile der bisherigen Opposition haben
sich radikalisiert, bis hin zu gut organisierten, gewaltbereiten
Gruppen; und das geopolitische Umfeld ist durch eine Konfrontation
gekennzeichnet, die Züge eines neuen Kalten Krieges angenommen hat.
Man will sich nicht vorstellen, wie Russland auf die Ereignisse in
Kiew reagiert hätte, wenn nicht gerade in Sotschi Olympische Spiele
abgehalten worden wären. Man kann das einen glücklichen Zufall
nennen. Aber auf Glück ist in der Geschichte kein Verlass. Ab heute
herrscht wieder der historische Normalfall. Und das bedeutet: Alles
ist möglich.
Das gilt im Negativen wie im Positiven. Die objektiven
Schwierigkeiten sind, wie oben angedeutet, enorm. Sie lasten nun in
erster Linie auf Julia Timoschenko. Mit ihrer Vorgeschichte und ihrem
Ehrgeiz ist die Ikone der Orangen Revolution sicher keine Heilige.
Durch ihre Rivalität mit dem damals gewählten Präsidenten Wiktor
Juschtschenko hat sie das Scheitern der Revolution und alles, was
folgte, mitzuverantworten.
Aber Timoschenko ist heute die Einzige, der man zutrauen kann, die
Lage im Land zu stabilisieren. Sie kennt den Machtfilz (auch durch
frühere eigene Beteiligung), sie hat eine relativ gut organisierte
Partei hinter sich, sie ist klar prowestlich orientiert - und kann
gleichzeitig auch mit Russland reden. Das zeigte auch der
Gasliefervertrag, den sie 2009 mit dem damaligen russischen Premier
Wladimir Putin abschloss und den ausgerechnet der prorussische
Janukowitsch zum Vorwand nahm, sie mittels eines gesteuerten
Strafverfahrens politisch auszuschalten.
Lage stabilisieren, Machtübergang managen, zwischen den
verfeindeten Lagern vermitteln, Versöhnungsprozess einleiten,
Wirtschaft sanieren: eine übermenschliche Aufgabe, die Timoschenko
und ihr Lager ohne Hilfe von außen nicht schaffen können.
Hier ist in erster Linie die EU gefordert. Für sie gelte nun das
Gesetz des Porzellanladens, meint etwa der Reuters-Analyst Paul
Taylor: "Was du zerbrichst, gehört dir." Das mag übertrieben sein,
denn Brüssel ist nicht schuld am doppelten Spiel von Janukowitsch.
Wahr ist aber, dass man in der EU die geopolitische Brisanz der
ukrainischen Krise bis zuletzt schwer verkannt hat. Die relativ
erfolgreiche Vermittlungsmission der drei Außenminister kam fast
schon zu spät. Aber sie zeigt, dass eine Frage dieser Dimension nicht
mit detailreichen Regelwerken wie (durchaus wichtigen)
Assoziierungsabkommen zu bewältigen ist.
Kurzfristig bedarf es nun weiter eines entschlossenen
Krisenmanagements unter Einsatz politischer Schwergewichte aus
Europa, vor allem aber effizienter Finanzhilfe, um einen
wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern. Längerfristig braucht die
EU-Ostpolitik eine neue, visionäre Strategie. Und die muss weit
stärker als bisher Russland miteinbeziehen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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