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Börsen-Zeitung: Anfang vom Ende, Marktkommentar zu Bitcoins von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 28-02-2014

Frankfurt (ots) - Es ist schwierig, sich für das, was bei der
Bitcoin-Börse Mt. Gox passiert ist, eine Parallele in der realen Welt
vorzustellen. Am ehesten wäre wohl eine Situation vergleichbar, in
der die beiden Deutsche-Bank-Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain vor
die Presse treten und erklären, aufgrund eines Hackerangriffs seien
bedauerlicherweise sämtliche Kunden-Assets verloren, woran man leider
nichts ändern könne und weshalb man für die Bank Konkurs anmelden
müsse. Was dann nicht nur im deutschen Bankensystem passieren würde,
lässt sich leicht ausmalen. Ein Sturm auf die Banken wäre sicherlich
eine Konsequenz, und es würde wohl auch zu einer neuen Finanzkrise
kommen.

Einen vergleichbaren Bitcoin-Vertrauensverlust hat es trotz der
Mt.-Gox-Pleite nicht gegeben, obwohl über den Marktplatz nicht
weniger als vier Fünftel des gesamten Bitcoin-Handelsvolumens liefen.
Im Gegenteil: Die Verluste des Bitcoin gegenüber dem Dollar waren im
Dezember und im Januar deutlich ausgeprägter, als sie es seit
Bekanntwerden der Schieflage bei Mt. Gox waren. Mit einem
Bitcoin-Kurs von aktuell 562 Dollar sehen die Benutzer offensichtlich
immer noch einen hohen Wert in ihrer virtuellen Währung. Damit kann
man fast schon sagen, dass Bitcoin krisenfester ist als
beispielsweise der argentinische Peso.

Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Der Peso ist eine richtige
Währung, auf deren Stabilität die Bürger eines Landes hinsichtlich
ihrer ökonomischen Existenz angewiesen sind. Wenn eine solche Währung
ihre Stabilität oder gar ihre Grundlage verliert, sind die
Wirtschaftssubjekte gezwungen, schleunigst auf eine andere, stabilere
Währung auszuweichen, um wirtschaftlich zu überleben. Der Bitcoin
hingegen ist hingegen für viele Inhaber so etwas wie ein Hobby, von
dem ihre wirtschaftliche Existenz nicht abhängt. Der Charakter einer
Hobby-Währung ist letztlich auch der Grund dafür gewesen, weshalb
sich das Geschehen bislang unterhalb des Radars der internationalen
Finanzaufseher und Notenbanken abspielen konnte.

Seit Bitcoin allerdings immer mehr Benutzer auch mit kurzfristigen
spekulativen Interessen anzieht, ist die Währung zu einem Problem
geworden. Bitcoin ist jedenfalls dem Ansturm, den es bereits gegeben
hat, nicht gewachsen. Das System ist so angelegt, dass ein stetiges
Anwachsen der Geldmenge, so wie es Zentralbanken bei richtigem Geld
handhaben, nicht möglich ist. Die Geldmenge wächst lediglich
degressiv und bei rund 21 Mill. Bitcoin ist sogar gänzlich Schluss
mit dem Geldmengenwachstum. Nimmt die Nachfrage nach Bitcoin immer
mehr zu, muss also der Wert des Bitcoins - so wie es bereits
geschehen ist - stark steigen, weil sich die Umlaufgeschwindigkeit
des Geldes nicht proportional steigern lässt. Das wiederum wird
unweigerlich dazu führen, dass Güter und Dienstleistungen in Bitcoin
gerechnet immer weniger wert sind. Bitcoin hat also, wie die
Europäische Zentralbank bereits im Oktober 2012 in einer Studie
herausgearbeitet hat, eine verhängnisvolle deflationäre Spirale ins
System einbaut.

Es ist daher höchste Zeit, dass sich die internationalen
Notenbanken und Regulatoren des Themas annehmen. Neben den
beschriebenen Systemmängeln gibt es noch weitere schwerwiegende
Probleme, die dafür sorgen, dass aus dem harmlosen Hobby längst ein
gefährlicher grauer Kapitalmarkt geworden ist, auf dem es zugeht wie
im Wilden Westen: Angezogen worden sind nicht nur Spekulanten,
sondern auch Kriminelle, die die gravierenden Sicherheitsmängel der
Bitcoin-Marktplätze ausnutzen. Mt. Gox ist kein Einzelfall. Es hat
vorher bereits Zusammenbrüche von Bitcoin-Börsen und auch Diebstähle
der virtuellen Währung gegeben.

Auch wenn derzeit bekannte US-Venture-Capital-Experten wie Marc
Andreessen, der in das Bitcoin-Start-up-Unternehmen Coinbase
investiert hat, noch glauben, dass Mt. Gox die große Ausnahme ist und
dass Bitcoin eine vielversprechende Zukunft hat: Den internationalen
Finanzaufsichtsbehörden und den Notenbanken wird nichts anderes
übrigbleiben, als Bitcoin umfassend zu regulieren. Dabei wird es
nicht ausreichen, streng beaufsichtigte Marktplätze zu schaffen. Es
wird Änderungen am System geben müssen, und es wird aus Gründen des
Verbraucherschutzes auch der Zugang zu der virtuellen Währung
eingeschränkt werden müssen. Dies alles wird Bitcoin letztlich die
Attraktivität als unreguliertes Asset mit großen kurzfristigen
Gewinnchancen nehmen. Der Mt.-Gox-Zusammenbruch könnte auch für
Bitcoin der Anfang vom Ende sein.

(Börsen-Zeitung, 1.3.2014)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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