Mittelbayerische Zeitung: Führung im Krisenfall - In der Krim-Krise zeigt die Regierung Führung. Doch das ist nicht der Gradmesser für die Koalition. Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 25-03-2014 |
Regensburg (ots) - Der Großteil des Regierens bestehe nicht im
Abarbeiten sorgfältig ausgearbeiteter Regierungspläne, sondern im
Reagieren auf aktuelle Ereignisse. Meinte Angela Merkel einmal. Die
jetzige Krise um die Ukraine und die Halbinsel Krim sowie das
Zerwürfnis mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin konnte die
schwarz-rote Koalition, als sie sich vor 100 Tagen endlich ans
Regieren machte, nicht auf dem Schirm haben. Doch genau jetzt zeigt
die Kanzlerin Führung. Sie ist die Einzige der westlichen
Staatschefs, die überhaupt noch einen "Draht" zum Kreml hat. Merkels
Doppelstrategie - mit Sanktionen drohen, aber auch weiter auf
Gespräche mit Putin setzen -- ist nach Lage der Dinge das einzige
probate Mittel, um die verfahrene bis brandgefährliche Situation doch
wieder zu entspannen. Zur Bilanz der ersten einhundert Tage der
großen Koalition zählt auch, dass es in der Außenpolitik zwischen
Kanzlerin und Außenamtschef keine unterschiedlichen Akzente gibt.
Beim Vorgänger Guido Westerwelle, den Merkel das eine ums andere Mal
düpiert hatte, war das anders. Merkel und Steinmeier werden noch dazu
von einer Welle der Sympathie getragen. Auch wenn beide im Konflikt
mit Moskau bisher kaum etwas Zählbares erreicht haben. Krisenmanager,
die mit zerfurchter Stirn vors Mikrofon treten, sind beliebt.
Freilich ist die außenpolitische Harmonie zwischen Union und SPD kaum
der wichtigste Gradmesser für eine Bewertung der ersten 100 Tage
große Koalition. So fragwürdig solche Zeugnisse nach kurzer
Regierungszeit auch sind. In Anbetracht der ursprünglich heftigen
Widerstände vor allem in der SPD hat sich die "GroKo" nach langer
Verhandlungsphase erstaunlich schnell zusammengerauft. Vor allem die
SPD-Minister gaben das Tempo vor, setzten die Themen. Etwa bei
Mindestlohn, Rentenkonzept, Energiepolitik oder Frauenquote. Auf
diesen Feldern hat der kleinere Koalitionspartner schnell Pflöcke
eingerammt. Offenbar auch, um nicht wieder, wie zwischen 2005 und
2009, von der übermächtigen Union "untergebuttert" und dann bei
Wahlen abgestraft zu werden. Allerdings: Eine Koalition strenger
Haushaltsdisziplin ist Schwarz-Rot nicht wirklich. Auch wenn
Kassenwart Wolfgang Schäuble mit Verweis auf die "schwarze Null" ab
2015 diesen Eindruck vermitteln möchte. Die Rente mit 63 etwa schafft
Milliardenlasten für die Zukunft. Die zurzeit prall gefüllten
Sozialkassen nähren die gefährliche Illusion, das Füllhorn bleibe
weit geöffnet. Dasselbe gilt für andere kostspielige Projekte wie die
Mütterrente, die dreist aus der Rentenkasse bezahlt wird. Wichtige
andere Reformfelder, wie etwa die Pflege, blieben dagegen bislang
klar unterbelichtet. Da wird noch einiges kommen müssen - auch von
den Unions-Ministern. Und die Pkw-Maut ist noch ein Phantom, von dem
nicht einmal Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)
genaueres weiß. Viel wichtiger als eine Autobahn-Vignette ist jedoch,
ob der ehemalige Generalsekretär den versprochenen Aufschlag auf die
Infrastruktur-Investitionen hinbekommt. Dringend notwendig ist es
schon. Von einem Fehlstart der Großkoalition zu sprechen, wäre
indessen eine grobe Verzerrung. Selbst die Edathy-Affäre, in deren
Folge CSU-Minister Hans-Peter Friedrich abtreten musste, hat das
Verhältnis zwischen Kanzlerin und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel nicht
ernsthaft zerrüttet. Zum Vergleich: Nach hundert Tagen hatte die
schwarz-gelbe Vorgängerregierung noch kein profundes Reformprojekt
angeschoben - sieht man einmal von der reduzierten Mehrwertsteuer für
Hotelübernachtungen ab.
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Mittelbayerische Zeitung
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