Westdeutsche Zeitung: Regierung legt Zwischenbericht zur Armutszuwanderung vor - Eine politische Gratwanderung
Ein Kommentar von Stefan Vetter
Geschrieben am 26-03-2014 |
Düsseldorf (ots) - Auf der Empörungsskala rangieren Debatten über
vermeintliche oder tatsächliche Sozialschmarotzer weit oben. Und geht
es dabei auch noch um Ausländer, kommen die Stammtische erst recht in
Wallung. Die CSU hatte sich diese latente Grundstimmung populistisch
zu Eigen gemacht. Ihr Schlachtruf "Wer betrügt, der fliegt" wurde zum
Aufreger über die sogenannte Armutszuwanderung.
Mit dem gestern veröffentlichten Zwischenbericht der
Bundesregierung ist das brisante Thema nun endlich auf eine sachliche
Ebene zurückgeführt worden. Die Bestandsaufnahme zeigt, dass eine
pauschale Diskriminierung von Rumänen oder Bulgaren genauso unsinnig,
ja gefährlich wäre, wie eine Verharmlosung des Problems.
Schon dieser Befund ist ein Wert an sich. Denn dadurch haben
Ideologen sowohl weit rechts als auch ganz links des
Meinungsspektrums schlechte Karten. Die Reisefreiheit sowie die
Freizügigkeit im Arbeits- und Niederlassungsrecht gehören zu den
wertvollsten politischen Errungenschaften des alten Kontinents.
Deutschland profitiert davon in besonderem Maße. Das hat sich gerade
in der Finanzkrise gezeigt, als viele junge Leute ihre Heimatländer
verließen, um in Deutschland einen Job zu finden. Dass sich auch
durch Zuwanderung der Fachkräftemangel eindämmen lässt, dürfte
einleuchten.
Von einer massenhaften Einwanderung in die Sozialsysteme, wie es
die CSU suggerierte, kann keine Rede sein. Gerade einmal 0,7 Prozent
der Hartz-IV-Empfänger stammen aus diesen Staaten. Zur Wahrheit
gehört aber auch, dass die Zahl der Hilfeempfänger stark gestiegen
ist. Und dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zugeht. Gerade
deshalb klingt es vernünftig, bei der Ausstellung von
Aufenthaltsbescheinigungen oder der Anmeldung eines Gewerbes genauer
hinzuschauen. Auch die Gewährung von Kindergeld ist zumindest
missbrauchsanfällig und gehört stärker überprüft.
Allerdings bedeuten solche Maßnahmen immer auch eine
Gratwanderung. So richtig und wichtig es ist, die Aufregung über
Missstände nicht im Sande verlaufen zu lassen, so fatal wäre am Ende
die Botschaft, dass Ausländer bei uns nicht willkommen sind. Damit
würde sich Deutschland am meisten schaden.
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Westdeutsche Zeitung
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