VdTÜV: Hohes Sicherheitsniveau technischer Anlagen in Gefahr! / Anlagensicherheits-Report 2014 vorgestellt
Geschrieben am 10-04-2014 |
Berlin (ots) - Das Sicherheitsniveau technischer Anlagen in
Deutschland ist hoch. Das geht aus dem Anlagensicherheits-Report 2014
der zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) hervor, der heute vom
Verband der TÜV e.V. (VdTÜV) in Berlin vorgestellt wurde. Dennoch
gibt es Sicherheitsmängel an technischen Industrieanlagen, die erst
durch unabhängige Prüfungen erkannt werden. Deutliche
Sicherheitslücken sehen die Experten bei den Aufzugsanlagen. Die
Pläne der Bundesregierung, künftig bei Tanklagern und anderen Anlagen
mit brennbaren Flüssigkeiten auf die unabhängige Prüfung zu
verzichten, lehnt der VdTÜV wegen erheblicher Sicherheitsbedenken
entschieden ab. Für den Anlagensicherheitsreport 2014 wertete der
VdTÜV die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen von
überwachungsbedürftigen Anlagen im Kalenderjahr 2013 aus.
Die regelmäßige Überwachung gefährlicher Anlagen regelt in
Deutschland die Betriebssicherheitsverordnung. Die für die Prüfung
zugelassenen Überwachungsstellen müssen unabhängig vom Betreiber
einer Anlage sein und werden ihrerseits von den Behörden streng
überwacht. "Dieses System hat sich hervorragend bewährt und trägt in
Deutschland zu einer vorbildlichen Sicherheitskultur bei", erläuterte
Dr. Klaus Brüggemann, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des
VdTÜV.
Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
betriebene Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung sieht vor,
bei Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten die Pflicht einer
unabhängigen Prüfung abzuschaffen. Stattdessen sollen die Unternehmen
ihre Anlagen selbst prüfen. "Das würde bedeuten, dass künftig
Tanklager oder Anlagen in Raffinerien zu keinem Zeitpunkt mehr von
einer unabhängigen Stelle überwacht werden, obwohl von ihnen eine
erhebliche Gefahr für Menschen und Umwelt ausgehen kann", kritisierte
Dr. Brüggemann. Bei Aufzugsanlagen, die täglich von Millionen
Menschen genutzt werden, sieht die Novellierung durch einen Verzicht
auf die unangekündigten und unabhängigen Zwischenprüfungen eine
drastische Verlängerung der Prüffristen vor. Die Folgen für die
Anlagensicherheit sind unkalkulierbar.
"Ex-elh"-Anlagen: unabhängige Prüfung erhalten!
Spätestens seit der verheerenden Katastrophe im englischen
Buncefield im Jahr 2005 ist die potentielle Gefahr von Tanklagern
oder Raffinerien wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.
Als Ex-elh-Anlagen werden Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen
und Anlagen zur Lagerung und Abfüllung bestimmter entzündbarer
Flüssigkeiten bezeichnet. Die Auswertung der Prüfungen lässt auf ein
hohes Sicherheitsniveau schließen: Rund 83 Prozent der Lageranlagen
waren bei der Prüfung mängelfrei, rund 3 Prozent wiesen erhebliche
Mängel auf. Bei Füll- und Entleerstellen ergab sich ein ähnliches
Bild: hier waren 74 Prozent mängelfrei, an 6 Prozent fanden sich
erhebliche Mängel.
"Sollte hier die unabhängige Prüfung wegfallen, wird es mehr
Anlagen mit gefährlichen Mängeln geben, weil dadurch ein Anreiz zur
regelmäßigen Wartung wegfiele", erläuterte Dr. Klaus Brüggemann.
Darüber hinaus könnten künftig gefährliche Anlagen bereits mit
unerkannten Mängeln in Betrieb gehen. Denn schon bei der Prüfung vor
Inbetriebnahme seien erhebliche Mängel bei immerhin 5 Prozent aller
Lageranlagen festgestellt worden.
Unabhängige Prüfung sorgt für Sicherheit. Das wird bei Tankstellen
besonders deutlich: Von allen 4.445 geprüften Tankstellen waren im
Jahr 2013 über die Hälfte (51,5 Prozent) mängelfrei, 24,7 Prozent
wiesen geringfügige Mängel auf, an 23,6 Prozent stellten die Prüfer
erhebliche Mängel fest, die erst durch die ZÜS-Prüfung erkannt und
beseitigt wurden.
Druckanlagen: überwiegend in gutem Zustand
Bei über 300.000 Prüfungen von Druckbehälteranlagen war mit 76
Prozent der überwiegende Teil mängelfrei. Geringfügige Mängel wiesen
rund 18 Prozent auf, erhebliche Mängel hatten rund 6 Prozent der
Anlagen. Die rund 27.000 Prüfungen von Dampfkesselanlagen zeigen ein
ähnliches Bild. Mängelfrei waren 78 Prozent, geringfügige Mängel
hatten rund 18 Prozent und erhebliche Mängel wurden an rund 4 Prozent
der Anlagen festgestellt. Der Anteil der Druckanlagen mit
gefährlichen Mängeln, z.B. mit kritischen Rissen in
Schweißverbindungen, lag bei unter einem Prozent. Insgesamt kann man
hier also ein hohes Sicherheitsniveau feststellen. In absoluten
Zahlen heißt das aber: an 197 Druckbehälter- und 31
Dampfkesselanlagen bestanden derart gravierende Mängel, dass sie nach
der Prüfung durch die Zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS) zur
Sicherheit sofort stillgelegt werden mussten.
Aufzüge: Über die Hälfte hat Mängel - hohe Dunkelziffer
Aufzüge müssen jährlich geprüft werden, wobei Wiederkehrende
("Haupt"-) und Zwischenprüfungen immer im Wechsel stattfinden. Bei
diesen rund 480.000 Prüfungen stellten die Experten der zugelassenen
Überwachungsstellen fest, dass mehr als die Hälfte (rund 51 Prozent)
der Aufzugsanlagen Mängel aufweist. An rund 12 Prozent wurden
sicherheitserhebliche Mängel angemahnt - etwa an Tragseilen, der
Steuerung oder der Notrufeinrichtung -, deren Beseitigung durch eine
Nachprüfung kontrolliert werden musste. Darüber hinaus schätzt der
VdTÜV, dass mehr als 150.000 Anlagen überhaupt nicht geprüft werden,
weil die Betreiber der gesetzlichen Prüfpflicht nicht mehr
nachkommen. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Da über den Zustand
dieser Anlagen nichts bekannt ist, fürchten die Experten eine hohe
Dunkelziffer an Mängeln bei Aufzügen.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll bei der Novellierung der
Betriebssicherheitsverordnung die unabhängige und unangekündigte
Zwischenprüfung von Aufzügen abgeschafft werden. Der Zeitraum
zwischen zwei unabhängigen Prüfungen würde dadurch von einem auf zwei
Jahre verlängert. "Vor dem Hintergrund der dokumentierten
Mängelquoten und der erschreckend hohen Zahl nicht geprüfter Anlagen
halten wir diese Änderung für gefährlich", so Dr. Brüggemann. Die
Experten fürchten einen weiteren Anstieg der Mängelquoten und eine
deutliche Zunahme von Ausfällen und Unfällen in den kommenden Jahren.
Veröffentlichung in der "Technischen Überwachung"
Der Anlagensicherheits-Report 2014 erscheint in der
VdTÜV-Zeitschrift "Technische Überwachung". Mitgewirkt haben folgende
Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS): DEKRA Industrial GmbH, DEKRA
EXAM GmbH, GTÜ Anlagensicherheit GmbH, Lloyd´s Register Quality
Assurance GmbH, SGS-TÜV GmbH, TÜV Austria Service GmbH, TÜV NORD
Systems GmbH & Co. KG, TÜV Rheinland Industrie Service GmbH, TÜV SÜD
Chemie Service GmbH, TÜV SÜD Industrie Service GmbH, TÜV Technische
Überwachung Hessen GmbH und TÜV Thüringen e. V.
Pressekontakt:
Johannes Näumann
VdTÜV Verband der TÜV e.V.
Pressesprecher
T.: +49 30 760095-320 | M.: +49 151-12 03 96 92
johannes.naeumann@vdtuev.de
https://twitter.com/vdtuev_news
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