Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Merkel trifft den US-Präsidenten
Obama ist am Zug
Dirk Hautkapp, Washington
Geschrieben am 02-05-2014 |
Bielefeld (ots) - Gastgeschenke müssen mit Augenmaß gemacht
werden. Fallen sie zu groß aus, können sie den Empfänger unnötig
verwöhnen. Wie es sich mit dem üppigen Präsent verhält, das Angela
Merkel Barack Obama in Washington zukommen ließ, muss sich noch
zeigen. Mit dem Verzicht auf die Befragung von Edward Snowden in
Deutschland hat die Kanzlerin dem amerikanischen Präsidenten in der
Affäre um den Geheimdienst NSA ein Signal gegeben, das als
Kapitulation vor einer Supermacht verstanden werden kann. Mindestens
aber als demutsvolle Geste. Und als Bereitschaft zum Schlussstrich.
Man möchte davon ausgehen, dass die Kanzlerin intern diesem Eindruck
bei ihrem vierstündigen Arbeitsbesuch im Weißen Haus entgegengewirkt
hat. Auch wenn die Krise um die Ukraine und die unter keinem guten
Stern stehenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen
der EU und den USA klare Priorität besaßen - das Thema NSA ist für
sie nicht durch. Für Merkel ist die Chuzpe, mit der Washington seit
Monaten alle Vertrauensbrüche aussitzt, unverändert ein Ärgernis.
Aber Ausdruck einer Realität, die sie nicht ändern kann. Es gibt
keinen Einblick in ihre Geheimdienstakte. Es gibt auch kein Abkommen
über den wechselseitigen Verzicht auf Spionage ("no spy"). Es gibt
für Deutschland nicht mal ein Upgrade, das heißt: Raus aus der
geheimdienstlichen Holzklasse, in der sich etwa Pakistan befindet,
rein in die Lounge der befreundeten Partner. Und es gibt erst recht
kein Eingeständnis der USA, dass die Gigantomanie der NSA
kontraproduktiv ist und Weltunfrieden stiftet. Was es gibt, ist
vielleicht eine vertrauensbildende Maßnahme light: Schutzbestimmungen
bei der Datensicherheit, wie sie für Amerikaner gelten, auch auf
Ausländer anzuwenden. Damit würde Washington die Privatsphäre als ein
universelles Gut anerkennen, das nicht nach Belieben ignoriert werden
darf. Für Merkel hätte das praktischen Wert. Es könnte daheim den
Groll über die Lex Snowden dämpfen. Dazu aber muss sich der Präsident
den Vorschlag seiner Experten kraftvoll zu eigen machen. Tut er das,
akzeptiert er, dass die Aufgeregtheit nicht nur in Deutschland über
den ungezügelten Datenhunger der NSA keine künstliche ist. Tut er das
nicht, hätte er seine zentrale Partnerin in Europa mit leeren Händen
nach Hause geschickt. Nicht nur hier, auch in der Ukraine-Krise ist
Obama am Zug. Durch was lässt sich Wladimir Putin beeindrucken? Weder
Obama noch Merkel taten so, als hätte der Westen darauf schlüssige
Antworten. Beide ahnen: Wenn die Ukraine politisch, demokratisch und
wirtschaftlich ein Erfolg werden soll nach westlichen Maßstäben, ist
langer Atem vonnöten. Und viel Geld. Wer ist bereit, Sanktionen gegen
Moskau über Jahre durchzuhalten? Die entscheidende Frage wird in
Amerika und Europa entlang sehr verschiedener
Kosten-Nutzen-Abwägungen verhandelt. Die Amerikaner sind willens,
Russland ökonomisch anhaltend bluten zu lassen und aus Gründen der
globalen Hackordnung zum Paria zu stempeln. Sie haben den Atlantik
zwischen sich und dem Kreml. Die Europäer, direkte Nachbarn und
Gaskunden, müssen das Ende bedenken und warnen vor Symbolik. Wer sagt
denn, das ein in die Enge getriebenes Russland nicht trotzig den
Gürtel enger schnallt und jedwede Bestrafung erträgt? Wer Sanktionen
verhängt, nur um seine eigene Ohnmacht zu bekämpfen, wird gegen
Russlands Präsidenten wenig erreichen, zumal Moskau bei Themen wie
Iran und Syrien gebraucht wird. Merkels Denke liegt gar nicht so weit
weg von Obamas Abneigung vor einfachen, scheinbar radikalen Lösungen.
Die Frage ist, ob sie am Ende im Gleichschritt marschieren.
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Neue Westfälische
News Desk
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