Energiewende paradox: Deutschland verfehlt CO2-Reduktionsziele trotz massiven Ausbaus der erneuerbaren Energien deutlich
Geschrieben am 06-05-2014 |
Berlin (ots) -
Die enervis-Studie "Der ideale Kraftwerkspark" warnt vor
Fehlentwicklungen bei der Anpassung des konventionellen
Kraftwerksparks: Ohne einen systematischen Umbau der deutschen
Kraftwerkslandschaft wird das Klimaschutzziel bis 2040 um 35 Prozent
verfehlt - Alte ineffiziente Kraftwerke und falsche Anreizsysteme
verdrängen insbesondere CO2-arme Gaskraftwerke und verhindern
Neuinvestitionen. enervis-Geschäftsführer Uwe Hilmes: "Wenn wir nicht
zeitnah alte Kraftwerke durch moderne, hocheffiziente und flexible
Kapazitäten ablösen, verpuffen unsere Investitionen in die
erneuerbaren Energien."
Bei den erneuerbaren Energien ist Deutschland Technologieführer.
Bei der Anpassung des konventionellen Kraftwerksparks bleibt die
Bundesrepublik dagegen hinter ihren selbst gesteckten Vorgaben
zurück. Die Konsequenz: Wenn der aktuelle Kraftwerkspark in den
nächsten zehn Jahren nicht grundlegend umgebaut wird, wird
Deutschland seine CO2-Reduktionsziele trotz der Anstrengungen für den
Ausbau der erneuerbaren Energien dramatisch verfehlen. Zu diesem
Ergebnis kommt die Studie "Der ideale Kraftwerkspark - flexibel,
klimafreundlich, kosteneffizient. Maßstab für einen optimierten
Entwicklungspfad der Energieversorgung bis 2040", die das Berliner
Energieberatungsinstitut enervis energy advisors im Auftrag der
Trianel Kraftwerksgesellschaften erstellt hat und am Dienstag in
Berlin vorstellte.
Bis zum Jahr 2023 - dem Jahr nach dem endgültigen Atomausstieg -
wird den Berechnungen zufolge das nationale Reduktionsziel für den
Kohlendioxidausstoß um rund 12 Prozent verfehlt; bis 2040 beläuft
sich die Lücke sogar auf 35 Prozent. Kern des Problems ist, dass
Deutschland bisher an seinem hohen Bestand an alten und wenig
effizienten Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken festhält. Diese
drängen die für die Zukunft dringend benötigten flexiblen und
klimaschonenden Kapazitäten wie Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerke aus
dem Markt. "Unsere Berechnungen zeigen, dass wir drauf und dran sind,
unsere Investitionen in die erneuerbaren Energien ad absurdum zu
führen", sagte Hilmes. "Wenn wir aus den veralteten Technologien
nicht sukzessive aussteigen, dann verpufft das Geld, das wir in den
Ausbau der erneuerbaren Energien stecken. Denn der Klimaschutz, den
wir damit erreichen könnten, wird durch einen alten und
vergleichsweise unflexiblen konventionellen Kraftwerkspark weitgehend
wieder zunichte gemacht."
Als Ursache für die aktuelle Entwicklung nennen die
Energieexperten die derzeitige Ausgestaltung des Strommarktdesigns,
in dem die Börsenpreise für Strom immer weniger Anreize bieten, in
neue Anlagen zu investieren. Langfristig werden so erneuerbare
Energien durch veraltete Kraftwerke ergänzt, um die
Versorgungssicherheit aufrechterhalten zu können, wenn Sonne und Wind
die benötigten Strommengen nicht liefern könnten. "Im Sinne der
Energiewende und auch aus energiewirtschaftlicher Sicht sollten
hocheffiziente und flexible Kraftwerke und Speicher die Partner der
erneuerbaren Energien sein", so Hilmes.
Das Studiendesign:
Für die Studie untersuchte enervis, wie "der ideale
Kraftwerkspark" der Zukunft aussehen sollte, um den Atomausstieg 2022
zu kompensieren und den wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien
im Strommix optimal zu ergänzen. Dafür entwickelten die
Wissenschaftler zunächst ein "Idealszenario", das von 2014 bis 2040
Jahr für Jahr hochrechnet, welche konventionellen Kraftwerke und
Speichertechnologien den Ökostrom flankieren müssten, um den
Kraftwerkspark jeweils so kosteneffizient, klimafreundlich und
flexibel wie möglich zu halten. Gleichzeitig muss die zuverlässige
Stromversorgung jederzeit gewährleistet sein. Der aktuelle Bestand an
Kraftwerken wurde dabei bewusst nicht berücksichtigt, sondern einem
zweiten Szenario ("Realszenario") zugrunde gelegt. In diesem
"Referenzszenario" rechneten die Experten hoch, wie sich der aktuelle
Bestand an Kraftwerken nach Laufzeiten und zu erwartendem Zubau
entwickeln würde - und welche Konsequenzen dies hätte.
Die Studienergebnisse:
Der Vergleich des "idealen" mit dem "realen" Szenario weist nach,
dass schon heute zehn Prozent mehr Kapazität aus Braunkohle- und
Steinkohlekraftwerken existiert, als in einem kostenoptimierten
Modell nötig wäre. Im Jahr 2017 werden es bereits 30 Prozent sein,
die unter Klimaschutzgesichtspunkten nicht optimal sind. Der Grund:
Angesichts des steigenden Stromanteils aus erneuerbaren Energien
sinkt der Bedarf an Grundlast, den die konventionellen Kraftwerke
vorhalten müssen. Gleichzeitig nimmt aber die Volatilität der
Residuallast zu. Dies ist die Differenz zwischen der von den
Stromkunden nachgefragten Leistung und der erbrachten Leistung der
nicht steuerbaren erneuerbaren Kraftwerke. Besonders in der zweiten
Hälfte des Untersuchungszeitraums (2026 bis 2040) wird deutlich, dass
der dann zu erwartende Bestandskraftwerkspark immer weniger zum
idealen Kraftwerkspark der Zukunft passt. So bleiben im "realen"
Szenario ab Ende der 2020er Jahre die Kapazitäten von Braun- und
Steinkohlekraftwerken nahezu konstant bei rund 18 GW - was rund ein
Viertel der Gesamtkapazitäten wäre. Im "Idealszenario" würden
Kohlekraftwerke im Jahr 2040 hingegen weniger als zehn Prozent der
Kapazitäten stellen.
Zugleich zeigt die Studie, dass gerade die alten, wenig
effizienten Bestandskohlekraftwerke überproportional hohe
CO2-Emissionen verursachen: Zu Beginn des Untersuchungszeitraums
liefern Braun- und Steinkohlekraftwerke etwa 78 Prozent des Stroms,
verursachen aber 90 Prozent des Kohlendioxidausstoßes; gegen Ende des
Betrachtungszeitraums liegt ihr Produktionsanteil nur noch bei 48
Prozent - der Anteil an den Emissionen aber immer noch bei 68
Prozent.
Schlussfolgerung:
"Wir sollten uns die Frage stellen: Wie können wir unseren
Kraftwerkspark so umbauen, dass er die erneuerbaren Energien
kosteneffizient ergänzt und gleichzeitig die Klimaschutzziele
einhält", erklärt enervis-Studienleiter Dr. Nicolai Herrmann. Dafür
hat das Institut in einem dritten Szenario den "optimierten
Kraftwerkspark" der Zukunft entwickelt. Das Ergebnis: Um zu einem
Umbau der Kraftwerkslandschaft zu kommen, ist nicht nur ein neues
Strommarktdesign vonnöten. Zusätzlich zu den bereits angekündigten
Stilllegungen sollte der Bestand alter, energiewirtschaftlich
ineffizienter Stein- und Braunkohlekraftwerke um weitere 4.300 MW
verringert werden. Dies würde die derzeit brachliegenden
Investitionen u. a. in Gas- und GuD-Kraftwerke wieder stärken,
hocheffiziente und klimaschonende Kraftwerke würden nicht in die
Kaltreserve überführt werden müssen. Dadurch würde sich der "reale"
Kraftwerkspark an den "idealen" Kraftwerkspark annähern und die
nationalen CO2-Reduktionsziele wären erreichbar. "Die Energiewende
ist ein Klimaschutzprojekt. Wenn Deutschland es damit wirklich ernst
meint, dann muss es gerade auch bei den konventionellen Kraftwerken
umdenken", forderte Geschäftsführer Uwe Hilmes.
Die vollständige Studie, die im Auftrag der Trianel
Kraftwerksgesellschaften durchgeführt wurde, sowie ausführliche und
stets aktuelle Informationen über die Diskussion zur
Weiterentwicklung des Energiemarktdesigns in Deutschland finden Sie
unter www.energiemarkt-design.de.
enervis energy advisors GmbH
enervis ist eine Unternehmensberatung spezialisiert auf die
Energiewirtschaft. Unser Spektrum erstreckt sich von der
Marktbeobachtung und -analyse, über die Entwicklung von
Marktstrategien und deren Umsetzung in entsprechenden
Geschäftskonzepten, bis hin zur Unterstützung im Operativen,
inklusive der Entwicklung von rechnergestützten Analysemodellen.
Pressekontakt:
enervis energy advisors GmbH
c/o Johanssen + Kretschmer Strategische Kommunikation GmbH
Britta Wolters
Berliner Freiheit 2
10785 Berlin
E-Mail: enervis@jk-kom.de
Tel.: + 49 30 520 00 57 810
Mobil: + 49 163 883 80 11
Trianel GmbH
Elmar Thyen, Leiter Unternehmenskommunikation
E-Mail: e.thyen@trianel.com
Tel.: + 49 241 41 32 04 13
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