G36 trifft ungenau in neuen, geheimen Tests / Bundesrechnungshof prüft / Grüne fordern Untersuchung
Geschrieben am 21-05-2014 |
Mainz (ots) - Das Gewehr G36 der Bundeswehr hat in einer neuen,
bislang geheim gehaltenen Prüfung durch den Bundesrechnungshof seinen
Streukreis aufgeweitet und seinen mittleren Treffpunkt verlagert. Das
berichtet heute, 21.5.2014, das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" des
Südwestrundfunks auf seiner Homepage www.reportmainz.de. Das
Bundesverteidigungsministerium (BMVg) bestätigt die Recherchen des
Magazins und räumt ein, dass beide getesteten Waffen vom Typ G36 sich
bei Temperaturschwankungen als unzuverlässig erwiesen.
Bei Schießversuchen am 27. März 2014 verlagerten die beiden
getesteten Sturmgewehre nach veränderten klimatischen Bedingungen
ihren mittleren Treffpunkt in Seite und Höhe so sehr, dass sie
nachjustiert werden mussten. Danach trafen die beiden Gewehre
zunächst wieder zuverlässig. Als Bundeswehrsoldaten die Waffen in
einem weiteren Test durch Schießen erwärmten, zeigten die Gewehre
"erneut eine Verlagerung des mittleren Treffpunktes und eine
Streukreisaufweitung", so das Verteidigungsministerium. Die
verwendete DAG-Munition beanstandete das Ministerium nicht. Der
Sachverhalt werde derzeit "fachtechnisch" untersucht.
Der Bundesrechnungshof teilte "Report Mainz" mit, er untersuche
das G36 bereits seit Mitte 2013. Eine Prüfungsmitteilung habe der
Bundesrechnungshof dem BMVg nach Ostern 2014 zukommen lassen. Über
Inhalt und Umfang der Mitteilung wollte das Ministerium bislang keine
Auskunft geben.
Auf Anfrage von "Report Mainz" teilt der Hersteller des G36, die
Firma Heckler & Koch, mit, dass er "leider nicht in der Lage ist, zu
angeblichen internen Vorgängen oder Bewertungen der Bundeswehr
Stellung zu nehmen". Heckler & Koch lege Wert auf die Feststellung,
"dass der Bundesrechnungshof unser Haus zu keinem Zeitpunkt zu
Aktivitäten, welche unsere Produkte betreffen, jemals eingebunden
oder kontaktiert hat".
Im Februar 2014 hatte das Ministerium auf eine Anfrage der
Bundestagsabgeordneten Agnieszka Brugger (Die Grünen) dem
Verteidigungsausschuss geschrieben: "Für das kritisierte Treff- und
Warmverhalten des Gewehrs G36 im heiß geschossenen Zustand ist
eindeutig nicht die Waffe, sondern die untersuchte Munition eines
Herstellers ursächlich." Das G36 sei, so die Erklärung des BMVg,
"technisch zuverlässig und ohne Mangel". Dazu sagt heute Agnieszka
Brugger, die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion:
"Die neuen Testergebnisse machen deutlich, dass das BMVg in seiner
bisherigen Einschätzung offensichtlich völlig danebengelegen hat und
auch das Parlament falsch unterrichtet wurde." Nach Angaben der
Abgeordneten sei der Verteidigungsausschuss nicht über die neuen
Untersuchungsergebnisse unterrichtet worden. Sie kritisiert: "Es kann
nicht sein, dass der zuständige Ausschuss, obwohl das Sturmgewehr G36
mehrfach Gegenstand längerer Beratungen war, nach zwei Monaten noch
nicht über die Ergebnisse informiert wurde." Das Ministerium müsse
nun auch den Verdacht ausräumen, "dass die Mängel an dem Sturmgewehr
vorsätzlich vertuscht werden sollten".
Der unabhängige Waffensachverständige Dieter Plößl hält es für
ausgeschlossen, dass die Gewehre ihren mittleren Treffpunkt aufgrund
ungeeigneter Munition verlagern und fragt: "Wie kann es an der
Munition liegen, wenn das US-Gewehr M16 mit derselben Munition
zuverlässig trifft?"
Der Hersteller des G36, die Firma Heckler & Koch, beteuerte in
früheren Stellungnahmen, dass seine Gewehre in vollem Umfang den
technischen Anforderungen der Bundeswehr genügen und keine
Beanstandungen eingegangen seien.
Durchgeführt wurde die "örtliche Erhebung" mit den beiden
G36-Gewehren dem BMVg zufolge auf einem Truppenübungsplatz der
Bundeswehr in Jägerbrück durch zwei Vertreter des Prüfungsamtes des
Bundes (PAB) des Geschäftsbereichs des Bundesrechnungshofs. Der
Bundesrechnungshof erwartet noch in diesem Monat eine Stellungnahme
vom Bundesverteidigungsministerium. Das G36 von Heckler & Koch ist
die Standardwaffe der Bundeswehr mit derzeit rund 160.000 Exemplaren
im Einsatz.
Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei. Fragen bitte an "Report Mainz",
Tel.: 06131/929-33351.
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