WAZ: Die Sparer tragen die größte Last. Kommentar von Thomas Wels
Geschrieben am 04-06-2014 |
Essen (ots) - Man könnte die harsche Kritik der Sparkassen,
Volksbanken und Lebensversicherer an der anstehenden Zinssenkung der
Europäischen Zentralbank als Heldenmut nach Ladenschluss geißeln.
Schließlich hätten die Verbände auch vor der Europawahl für die
Interessen der Sparer - und der eigenen - auf die Trommel hauen
können. So viel politische Neutralität haben sie dann doch bewiesen.
Denn natürlich stellen sie Europa und den Binnenmarkt nicht infrage.
Die Verbände argumentieren aus nationaler Sicht, das aber
stichhaltig. Keine Frage: Die Nullzinspolitik der Notenbank ist eine
schwere Bürde für deutsche Sparer. Ihre Bankguthaben nehmen
preisbereinigt ab, weil die Teuerung größer ist als die Zinsen. Je
länger diese Phase dauert, desto größer ist das Problem. Gerade für
Menschen, die sich vorgenommen haben, fürs Alter zu sparen. Wenn es
ganz schlecht läuft, kann es passieren, dass die Nullzins-Sparer
ausgerechnet zu einem Zeitpunkt in Rente gehen, in dem Zinsen und
Teuerung anziehen. Dann wird die Lücke in der Altersvorsorge noch von
steigenden Lebenshaltungskosten erweitert. Das sind keine angenehmen
Aussichten. Ganz abgesehen davon, dass auch der Deutschen liebste
Anlage, die Lebensversicherung, aufgrund der niedrigen Zinsen
zunehmend Schwierigkeiten bekommt: Die Unternehmen sind kaum mehr in
der Lage, die versprochenen Zinsen zu erwirtschaften. Und nun
beschließt die EZB heute vermutlich noch niedrigere Zinsen, 0,1
Prozent womöglich, und oben drauf eine Gebühr für Banken, die ihr
Geld lieber auf einem EZB-Konto liegen lassen statt es an Unternehmen
auszuleihen, damit die investieren. Die Pläne zielen auf den Euroraum
in Südeuropa und sind in Deutschland höchst umstritten: erstens, weil
keiner weiß, ob damit tatsächlich die Konjunktur im Süden
anzuschieben ist; zweitens der Negativzins für Banken ein Experiment
ist; drittens das Ganze der Lage in der größten Volkswirtschaft,
nämlich Deutschland, nicht gerecht wird. Diese Politik provoziert
geradezu die Frage, wie es sein kann, dass der deutsche
Notenbankpräsident gerade mal so viel Einfluss hat wie der
griechische, maltesische oder zyprische.
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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