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WAZ: Netter Treppenwitz: Der DGB klaut eine FDP-Idee - Kommentar von Stefan Schulte

Geschrieben am 24-06-2014

Essen (ots) - Rente mit 60? Klingt nach linksradikaler Utopie ohne
ökonomischen Verstand. War aber noch vor vier Jahren ein Vorstoß der
marktliberalen FDP. Seinerzeit in Sack und Asche gehauen als
Klientelpolitik für Besserverdiener - weil nur die sich die hohen
Abschläge auf eine Teilrente ab 60 leisten könnten. Erster Ankläger
damals: der DGB.

Was zu seinem Sinneswandel führte, bleibt sein Geheimnis. So wie
es das Geheimnis der SPD bleibt, warum sie die Teilrente mit 60
plötzlich diskussionswürdig findet, da sie nicht mehr von der FDP,
sondern dem DGB gefordert wird. Die aktuelle Debatte ist ein
trauriges Exempel dafür, wie reflexhaft Politik selbst mit Themen
umgeht, die für ganze Generationen ihrer Wähler von existenzieller
Bedeutung sind.

Denn die Fakten haben sich im Gegensatz zur ideologischen
Patenschaft nicht verändert: Je früher man eine Teilrente bezieht,
desto höher sind die Abschläge. Leisten kann sich das nur, wer so gut
verdient, dass er mit Teilzeitlohn und kleiner Teilrente
zurechtkommt. Ob der DGB weiß, wem er da das Wort spricht? Richtig
bleibt auch, dass dadurch Menschen kürzertreten, die eigentlich noch
gebraucht werden. Zu einer alternden Gesellschaft passt ein noch
früherer Renteneintritt, ob ganz oder teilweise, so gut wie der
Libero zum modernen Fußball.

Auch in der gleichzeitig geführten Diskussion darüber, ob
Menschen, die das Rentenalter erreicht haben, nicht weiter arbeiten
dürfen, gerät viel durcheinander. Denn kein Gesetz verbietet das. Wie
lang jemand arbeiten darf, wenn er denn will, ist einzig Sache der
Tarifpartner oder zwischen Arbeitgeber und -nehmer. Die meisten
Verträge verlangen ein Ausscheiden bei Erreichen des gesetzlichen
Rentenalters. Das zu ändern, ist nicht Aufgabe der Politik.

Das einzige, was sie tun kann, ist die Befreiung werktätiger
Senioren von Sozialbeiträgen. Das fordern die Arbeitgeber, weil sie
Kosten sparen wollen. Dabei ist die Frage, warum Menschen, die ja in
Rente gehen könnten, noch Beiträge an die Arbeitslosenversicherung
zahlen sollen, absolut berechtigt. Schließlich können sie nicht mehr
arbeitslos werden.

Dass sie weiter Rentenbeiträge zahlen müssen, versteht sich
dagegen von selbst: Schließlich erhalten sie auch mehr Rente, wenn
sie freiwillig länger arbeiten.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


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