Therapie für das Gehirn / Marcela Lippert-Grüner hält Antrittsvorlesung an der Hochschule Fresenius in Köln (FOTO)
Geschrieben am 14-07-2014 |
Köln (ots) -
Kann sich ein Gehirn, das Schaden genommen hat, wieder erholen?
Und wenn ja, wie? Dr. Marcela Lippert-Grüner, neue Professorin am
Fachbereich Gesundheit & Soziales der Hochschule Fresenius sprach in
ihrer Antrittsvorlesung anlässlich ihrer Ernennung zur Professorin am
9. Juli über Neurorehabilitation. Anschaulich gab sie Einblicke in
therapeutische Maßnahmen, mit deren Hilfe geschädigtes Hirngewebe
gezielt reorganisiert werden kann.
"Stellen Sie sich das Gehirn als eine Sammlung babylonischer
Tontäfelchen vor. Alle Informationen sind darauf eingeritzt, wir
können wie selbstverständlich darauf zurückgreifen oder neue
hinzufügen. Bei hirngeschädigten Patienten funktioniert das nicht
mehr so leicht. Die Tontafel wird zum Granitblock, den sie nur noch
mit Hammer und Meißel bearbeiten können - das Lernen fällt enorm
schwer." Dies führte dazu, dass lange Zeit die Ansicht vertreten
wurde, Hirngewebe könne sich nach einer Schädigung nicht erholen oder
neu organisieren. Wichtige Maßnahmen der Neurorehabilitation wurden
daher nicht etabliert und weiterentwickelt. Erst seit den letzten 20
Jahren setzen Ärzte und Therapeuten auf Rehabilitationsmaßnahmen bei
Hirnschäden. Dabei machen sie sich die Plastizität des Gehirns zu
nutzen.
"Das Gehirn ist veränderbar", sagt Lippert-Grüner. "Es ist wie
eine lebendige Weltkugel, deren Länder- und Kontinentalgrenzen in
Bewegung sind." Die Teile des Gehirns werden trainiert, die häufig
verwendet werden: Nervenzellen werden gestärkt und Hirnareale von
Körperteilen vergrößert oder es entstehen sogar neue
Nervenzellverbindungen. Werden bestimmte Teile nicht genutzt, können
sie allerdings auch verkümmern. Diese Plastizität könne genutzt
werden, um Funktionen eines geschädigten Hirns wiederherzustellen.
Eine Mischung aus kognitivem und motorischem Training hält
Lippert-Grüner dabei für den besten Weg.
Als Beispiel für ein solches kognitiv-motorisches Training nannte
Lippert-Grüner die Spiegeltherapie. Ein Patient, dessen linker Arm
aufgrund eines Schlaganfalls gelähmt ist, setzt sich an einen Tisch
und legt beide Arme darauf ab. Zwischen den Armen wird ein Spiegel
platziert. Der gesunde Arm ist im Spiegel zu sehen, der
funktionsunfähige verschwindet dahinter. Bewegt der Patient nun den
gesunden Arm, sieht es im Spiegel so aus, als bewegte sich der
gelähmte Arm. Allein diese Illusion aktiviert diejenigen Hirnareale,
die ursprünglich für die Steuerung des linken Arms zuständig waren.
Damit eine Reorganisation des Gehirns funktioniert, ist
wiederholtes Training notwendig. Zudem sei die Motivation des
Patienten von enormer Bedeutung, da positive Rückmeldung die
Erfolgschancen der Therapie erhöhen, so Lippert-Grüner. "Wichtig ist
auch, dass die Rehabilitationsmaßnahmen rechtzeitig angewendet
werden. Das Zeitfenster ist nicht genau definiert. Es liegt für die
Erholung motorischer Funktionen bei etwa sechs bis zwölf Monaten.
Danach sinken die Chancen des Patienten drastisch."
Lippert-Grüner plädiert dafür, den Bereich Neurorehabilitation
weiter zu erforschen und neue Therapieformen zu entwickeln. In
Zukunft hält sie den vermehrten Einsatz der Robo-Therapie für
denkbar. "Roboter werden Therapeuten zwar niemals ersetzen, aber
unterstützen." Auch die virtuelle Realität verspreche Erfolgschancen.
"Wir könnten dem Patienten Bedingungen simulieren, die ihn im Alltag
erwarten, ohne dass er unseren Therapieraum verlassen muss." Dass es
in Zukunft eine Wunderpille geben wird, die Hirnschäden heilen kann,
hält sie für unrealistisch. "Eine angepasste, individuelle Therapie
bleibt notwendig. Dazu müssen wir interdisziplinär arbeiten und das
Know-how von Medizinern, Therapeuten und Ingenieuren
zusammenbringen."
Botho von Portatius, Präsident der Hochschule Fresenius,
überreichte Dr. Marcela Lippert-Grüner die Urkunde anlässlich der
Ernennung zur Professorin. "Wir sind sehr froh, dass wir jemanden wie
Sie, der sowohl die praktische Erfahrung einer Ärztin mit sich bringt
als auch forschend tätig ist, für unsere Hochschule gewinnen
konnten." Prof. Dr. Birgit Schulte-Frei, Prodekanin des Fachbereichs
Gesundheit und Soziales, lobte darüber hinaus, dass Dr.
Lippert-Grüner aufgrund ihres Engagement nicht nur bei Kollegen,
sondern auch bei ihren Studierenden überaus beliebt sei.
Marcela Lippert-Grüner studierte Humanmedizin an der Universität
zu Köln und promovierte im Fach Anatomie. Mit dem Postgradualstudium
der Biomedizin spezialisierte sie sich auf Neurowissenschaften. Im
Frühjahr 2014 schloss sie das Master-Studium Neurorehabilitation ab.
Ihre langjährigen Erfahrungen und fundierten Kenntnisse aus der
Praxis, unter anderem als Leitung des Bereichs Frührehabilitation an
der Klinik für Allgemeine Neurochirurgie und seit 2008 als leitende
Ärztin im gemeinnützigen Therapiezentren Bonn (GTB), lässt
Lippert-Grüner seit 2011 in Lehre und Forschung an der Hochschule
Fresenius einfließen. Ihr Forschungsschwerpunkt: Neurotraumatologie -
Frührehabilitation, experimentelle Neurorehabilitation
Pressekontakt:
Mareike Schrenk
Tel. +49 (0)6126. 93 50 - 952
Mareike.schrenk@hs-fresenius.de
www.hs-fresenius.de
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