Börsen-Zeitung: Rationale Gelassenheit, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Geschrieben am 25-07-2014 |
Frankfurt (ots) - Stell Dir vor es ist Krieg - und keiner schaut
hin. Es scheint dieser Tage fast so, als ob sich die Finanzmärkte in
abgewandelter Form das alte Motto der Friedensbewegung "Stell Dir vor
es ist Krieg und keiner geht hin" zu eigen gemacht hätten. Dabei ist
es weniger Ignoranz oder Zynismus als vielmehr angesichts der
Geldpolitik rationale Gelassenheit, die bislang die Reaktionen auf
die Krisenherde von der Ukraine bis nach Gaza bestimmt. Dennoch ist
die Entspanntheit, die sich in anhaltend niedrigen Volatilitäten
zeigt, erstaunlich.
Denn typischerweise reagieren die Finanzmärkte sehr sensibel auf
geopolitische Gefahren, gerade wenn die Versorgung mit Rohöl als
wichtigstem Schmierstoff der Weltwirtschaft in Gefahr geraten könnte.
Mit Russland und dem Nahen Osten konzentrieren sich die Krisen
derzeit auf zwei rohstoffreiche und für die Industrieländer daher
wichtige Regionen. Seit dem vermutlichen Abschuss eines malaysischen
Zivilflugzeuges über dem Osten der Ukraine hat sich der Ton zwischen
dem Westen und Russland deutlich verschärft. In der Ukraine sind die
Auseinandersetzungen längst eskaliert. Ein Krieg in Europa: Das
Kampfgebiet umfasst die Stadt Donezk, wo vor zwei Jahren Spiele der
Fußball-Europameisterschaft ausgetragen wurden.
Aus europäischer Sicht weiter weg ist zwar der Nahe Osten, doch
Unruhen und Konflikte dort haben in der Vergangenheit häufig die
Risikoaversion der Anleger deutlich steigen lassen. Doch weder der
Gaza-Krieg noch die fortgesetzten Angriffe der
palästinensisch-islamistischen Hamas auf israelische Städte sorgen
für Unruhe. Dabei braut sich mit den militärischen Erfolgen der
Isis-Milizen und der Ausrufung eines Kalifats sogar noch weiteres
Risikopotenzial zusammen. Und die latenten Spannungen im
Südchinesischen Meer, wo es eben auch um Öl und andere Rohstoffe
geht, sind vollkommen aus dem Blickfeld verschwunden.
Die Coolness der Marktteilnehmer zeigt sich an den anhaltend
niedrigen Volatilitäten an vielen Märkten. Der von der Deutschen Bank
berechnete Devisenvolatilitätsindex CVIX liegt mit rund 5,3 Punkten
noch immer in der Nähe seines Rekordtiefs. Und für die
Aktienvolatilitätsindizes VDax-New für den deutschen Aktienmarkt und
sein US-Pendant VIX ist das Bild ganz ähnlich. Auch die klassischen
Risiko-Indikatoren zeigen keine Angst der Marktteilnehmer. Es gab
zuletzt weder eine deutliche Flucht in die als klassische sichere
Häfen geltenden Staatsanleihen Deutschlands und der USA noch
währungsseitig in den Yen oder das Gold. Dass die zehnjährige
Bundesanleihe knapp über ihrem Rekordtief vom Höhepunkt der
Staatsschuldenkrise im Sommer 2012 liegt, hat mehr mit den
Zinserwartungen für die Eurozone als mit Geopolitik zu tun. Der Preis
für Rohöl ist zuletzt sogar gefallen. Die für Europa maßgebliche
Sorte Brent ist mit Preisen von gut 105 Dollar pro Fass sogar rund 9
Prozent billiger als noch vor gut einem Monat.
Woher rührt die Gelassenheit? Ein Hauptgrund dürfte die anhaltende
Geldschwemme der Notenbanken sein. Märkte lieben Liquidität. Sie
macht es einfach, Risiken einzugehen, weil die extrem niedrigen
Refinanzierungs- und damit auch Opportunitätskosten das Verhältnis
von Chancen und Risiken zugunsten der Chancen verzerren. Dies zeigt
sich derzeit auch an den Reaktionen auf die geopolitischen
Krisenherde Ukraine und Nahost. Hohe Liquidität führt dazu, dass die
Risiken, die für die Weltwirtschaft bestehen, niedriger bewertet
werden, als dies in einem normalen Zinsumfeld der Fall wäre. Deshalb
bleiben die Reaktionen auch lokal begrenzt: Es gibt zwar eine Flucht
aus dem Rubel, der die Notenbank in Moskau am Freitag mit einer
Zinserhöhung um 50 Basispunkte auf 8 Prozent entgegentrat. Doch eine
Flucht aus den Schwellenländer-Währungen ist nicht zu sehen. Anleger
schichten offenbar vom Rubel einfach in die türkische Lira und andere
hochverzinste Währungen um.
Die Frage ist jedoch: Wann kippt die Stimmung? Immer mehr Experten
sehen eine Bodenbildung bei der Volatilität. Dies heißt, es kann nur
aufwärts gehen, wohl auch mit der Risikoaversion. Über den Auslöser
hierfür lässt sich viel spekulieren, aber ein noch immer
unterschätztes Risiko ist das einer Zinserhöhung in den USA zu einem
früheren Zeitpunkt als vom Marktkonsens erwartet. Dies wird immer
mehr Investoren bewusst, was möglicherweise ihr Desinteresse an
Geopolitik erklärt. Sicher ist jedoch: Das Ende der niedrigen
Volatilität wird ohne Ansage und ruckartig kommen. Manchen Anleger
könnte seine momentane Gelassenheit dann teuer zu stehen kommen.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
539279
weitere Artikel:
- Weser-Kurier: Kommentar von Andreas Kölling zur Konjunkturentwicklung Bremen (ots) - Der Klimawandel kommt schleichend, aber er kommt.
Im Unterschied zum meteorologischen ist der wirtschaftliche sogar
amtlich messbar. Die geopolitischen Krisen schlagen jetzt durch, auch
wenn in den vergangenen Wochen noch tapfer versucht wurde, deren
gefährliches Negativpotenzial herunter zu diskutieren. Die
eskalierenden Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten bremsen die
Wachstumsdynamik aus. Die nicht absehbaren Folgen verschärfter
Sanktionen gegen Moskau verunsichern die deutsche Wirtschaft, die
gegenwärtig mehr...
- Badische Zeitung: Die Krisen und die Wirtschaft / Unsicherheit wächst
Kommentar von Jörg Buteweg Freiburg (ots) - Der Index ist kräftig gesunken. Unsicherheit ist
immer schlecht für das Geschäft. Wer unsicher ist, beginnt zu
grübeln, ob es noch klug ist, gerade jetzt Geld auszugeben, etwas
Neues zu beginnen, ein Risiko einzugehen. Wer unsicher ist, wartet
erst einmal ab. Wenn sich die Situation geklärt hat, kann man ja
immer noch weitermachen wie ursprünglich geplant. Noch ist diese
Unsicherheit ein Gefühl, es beeinträchtigt das Geschäftsklima. Es
muss sich zeigen, ob die Bestellungen bei den deutschen Firmen
tatsächlich zurückgehen mehr...
- Modehaus ba&sh enthüllt Model Bambi Northwood-Blyth als Gesicht seiner neuen internationalen Pressekampagne Paris (ots/PRNewswire) -
Einführung der neuen Herbst-Winter-Kollektion 2014/2015
Nach einer zehnjährigen Erfolgsgeschichte im Bereich Mode und Stil
erfindet sich das Modehaus ba&sh mit der Einführung der
Herbst-Winter-Kollektion 2014/2015 neu mit der Verpflichtung des
einzigartigen Models Bambi Northwood-Blyth, die für ihre glamouröse
Frische und ihren unkonventionellen Chic ausgewählt wurde.
Die neue internationale Kampagne, für die der belgische Fotograf
Quentin de Briey verantwortlich zeichnet, inspiriert weltweit mehr...
- Nur vom 27. bis 29. Juli - und nur bei Media Markt: Heiße Sommer-Aktion mit 19 Prozent Preisersparnis Ingolstadt (ots) - Die Sonne strahlt, die Preise schwitzen - drei
Tage lang lernen die Kunden von Media Markt Deutschland den Sommer
von einer besonders angenehmen Seite kennen. Am Montag und Dienstag,
28. und 29. Juli 2014, sparen sie in allen 259 Media Märkten 19
Prozent vom Verkaufspreis, also den Prozentsatz der Mehrwertsteuer.
Im Onlineshop des Unternehmens gilt die Aktion bereits ab Sonntag,
27. Juli 2014, 0:01 Uhr.
Unter dem Motto "Jetzt spart ganz Deutschland die Mehrwertsteuer"
profitieren die Kunden bereits ab dem mehr...
- Positive Beurteilung der Europäischen Arzneimittel-Agentur: empfiehlt Zulassung von IMBRUVICA(TM) (Ibrutinib) zur Behandlung zweier Blutkrebsformen Sunnyvale, Kalifornien (ots/PRNewswire) - Pharmacyclics
Switzerland GmbH, eine Tochtergesellschaft von Pharmacyclics Inc. ,
verkündete heute, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee
for Medicinal Products for Human Use, CHMP) der Europäischen
Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) eine positive
Beurteilung abgegeben habe. Darin empfiehlt er, IMBRUVICA(TM)
(Ibrutinib) zur Vermarktung in der Europäischen Union zuzulassen.
Berechtigt zur Vermarktung des zugelassenen Produkts in Europa ist
Janssen-Cilag mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|