DER STANDARD-Kommentar "Alter Wein in neuen Schläuchen" von Walter Müller
Geschrieben am 28-09-2014 |
Die rot-schwarze Regierungskoalition hätte aus Schladming mehr
machen müssen
Wien (ots) - Dem Lokalkolorit entsprechend lässt sich die
Regierungsklausur in der obersteirischen Bergwelt von Schladming
trefflich mit dem Satz zusammenfassen: "Guat is gangen, nix is
g'schehn." Keine Panne, keine Peinlichkeit, kein Aufreger. Die
politische Inszenierung mit Schwerpunkt "neue Harmonie" hat
funktioniert, auch wenn, wie Polito?loge Peter Filzmaier anmerkt,
Politshows dieser Art schon ein bissl altbacken daherkommen. Sie
haben sich überlebt. Politiker auf der Alm vor der Kasnocknschüssl
braucht im Grunde wirklich niemand mehr. Natürlich haben die Bilder
vom fröhlichen Hüttenabend samt üppiger Jause auch den Eindruck
erweckt, dass damit von einer inhaltlichen Dürftigkeit abgelenkt
werden soll. Und selbstverständlich darf man sich fragen, ob die
Botschaften von Schladming nicht auch im Kanzleramt erarbeitet und
verkündet hätten werden können. Die neue gute Stimmung in der
Koalition, die vermittelt wurde, hatte auch einen Namen: Michael
Spindelegger. Es ist schon einigermaßen erstaunlich, wie menschlich
brutal mit dem ehemals geschätzten Parteichef abgefahren wird.
"Bremsklotz" ist noch die mildeste Bezeichnung, die man ihm nachruft.
Es scheint,als sei er wie eine Tonne Blei auf der ÖVP und der
Regierung gelegen. Jetzt, nachdem er weg ist, hat die ÖVP eine neue
Leichtigkeit des Seins erfasst. Ein seltsames Bild der
psychologischen Verfasstheit von Parteien. Es durfte aber, nachdem
die ÖVP und mit ihr die Regierung also von "Spindi" entfesselt wurde,
wohl erwartet werden, dass nun endlich die großen Brocken von der
Verwaltungs-, Spitals- und Gesundheits- bis zur Bildungsreform
angepackt werden. Diesmal wirklich. Aber mitnichten. Den ?alten
Konfliktfeldern zwischen ÖVP und SPÖ wurde ausgewichen, und es blieb
wieder der schmale Grat der kleinen Kompromisse. In der Schulpolitik
geht?s nicht mehr um die große Reform, sondern um die kleine
mach-bare. Es ist zwar zu begrüßen, dass endlich der Übergang vom
Kindergarten die Volksschule harmonisiert und dort bildungspolitisch
nachgebessert wird. Das aber als den großen Wurf zu verkaufen ist
Propaganda. Nach Schladming zu fahren und zur mächtig angekündigten
Steuerentlastung nur "fünf Milliarden" zu sagen war einfach zu wenig.
Ohne Unterfütterung von Fakten, ohne auch nur einen Hinweis zu geben,
wo das Geld für die Entlastung gehoben werden soll, schürt das nur
das Grundmisstrauen, dass am Ende ohnehin wieder alle die Rechnung
zahlen werden. Das war Politik alt und unprofessionell. Entfesselt
begibt sich die Regierung jetzt in eine neue, enge Abhängigkeit. Das
Bild der Pressekonferenz hatte Symbolkraft: Kanzler Faymann und
Vizekanzler Mitterlehner wurden flankiert von Wirtschaftskammerchef
Christoph Leitl und ÖGB-Boss Erich Foglar. Man konnte es auch so
interpretieren: Nichts geht mehr ohne Zustimmung der Kammern und
Gewerkschaft. Die Sozialpartner wieder als starke Ruderer im
Regierungsboot lässt auf alle Fälle kein sehr großes Reformtempo
erwarten, dafür jede Menge altösterreichischen Pragmatismus. Und so
fehlte in Schladming der große Spin, die Botschaft, dass das neue
Regierungsteam die Zeichen der Zeit erkannt hat - und nicht wieder
nur alten Wein in neue Schläuche füllt. Von einer rot-schwarzen
Koalition, die weiß, dass es ihre letzte große Chance ist, wäre in
Schladming einfach mehr zu erwarten gewesen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
549394
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Kraft - die Nummer eins
Kommentar Von Detlev Hüwel Düsseldorf (ots) - Hannelore Kraft ist die unangefochtene Nummer
eins der nordrhein-westfälischen SPD. Das hat der Kölner Parteitag am
Wochenende deutlich gezeigt. Dort wurde die populäre Mülheimerin mit
über 95 Prozent für zwei weitere Jahre im Amt bestätigt. Ein
hervorragendes Ergebnis, auch wenn es ihr persönlich schwächstes ist.
Dieser Rückhalt stärkt die Ministerpräsidentin, macht ihr die
Alltagsarbeit allerdings nicht leichter. Sie sei stolz auf das, was
erreicht worden sei, rief Kraft den friedlich gestimmten Delegierten
zu mehr...
- Rheinische Post: Die rostige Rüstung
Kommentar Von Helmut Michelis Düsseldorf (ots) - Die Bundeswehr ist nur bedingt abwehrbereit.
Für diese Schlagzeile kam "Spiegel"-Redakteur Conrad Ahlers 1962
wegen Geheimnisverrats ins Gefängnis. Wer heute den Streitkräften
bescheinigt, sie seien zur Bündnisverteidigung gar nicht mehr fähig,
der muss keine Strafverfolgung fürchten. Denn zu deutlich geworden
sind die krassen Ausstattungsmängel. Pazifisten dürften ihre Freude
haben an diesem scheinbar zahnlosen Tiger Bundeswehr. Wenn aber jetzt
die Opposition die Misere für eine schneidige Attacke auf die
Verteidigungsministerin mehr...
- Rheinische Post: Gequälte Flüchtlinge -
eine Schande für NRW
Kommentar Von Martina Stöcker Düsseldorf (ots) - Sie wähnten sich in Sicherheit, in einem
reichen Land, in dem es Frieden und Sicherheit gibt. Doch einige
Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft in Burbach müssen andere
Erfahrungen gemacht haben: Wachleute sollen sie drangsaliert,
misshandelt und erniedrigt haben. Die Bilder, mit denen die
Beschuldigten ihre Taten dokumentierten, erinnern in ihrer Symbolik
an Guantanamo, an das irakische Schreckensgefängnis Abu Ghraib und an
Täter, denen jegliche Achtung der Menschenwürde abgeht. Die Fotos
sind aber mitten im Siegerland mehr...
- WAZ: SPD in NRW fehlt der Blick nach vorn
- Kommentar von Theo Schumacher Essen (ots) - Ein Parteitag für Visionäre war es nicht, es fehlte
der Blick nach vorn. Antworten auf drängende Fragen des Landes - vor
allem das finanzielle Dilemma - sind nicht das Signal von Köln. Für
Hannelore Kraft ging es in erster Linie darum, nach für sie
schwierigen Wochen die SPD hinter sich zu versammeln, und dabei wären
wohl unbequeme Sparvorschläge eher hinderlich gewesen.
Die Rechnung der Chefin aber, die Genossen in Watte zu packen, ist
aufgegangen. Krafts Wahlergebnis von 95 Prozent lässt keinen Raum für
Spekulationen. mehr...
- WAZ: Vom Nahverkehr und Kirchtürmen
- Kommentar von Michael Kohlstadt Essen (ots) - Über das Kirchturmdenken in der Region haben wir
schon oft berichtet. Beim Nahverkehr scheinen diese Kirchtürme
besonders hoch zu sein. Doch wenn sich die Rhein-Ruhr-Region als
attraktiver Ballungsraum präsentieren möchte, darf es bei Bussen und
Bahnen weder Stadtgrenzen noch Denkverbote geben.
Sicher: Auch in Berlin, dem nach dem Ruhrgebiet zweitgrößten
deutsche Ballungsraum, sind Bus- und Bahnfahrer durch den
störanfälligen ÖPNV leidgeprüft. Aber immerhin gibt es in der
Hauptstadt kein solches Kuddelmuddel aus mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|