Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Kraft will mehr Geld für NRW
Verteilungskämpfe
Alexandra Jacobson, Berlin
Geschrieben am 10-11-2014 |
Bielefeld (ots) - Kaum sind die Tränen der Rührung über 25 Jahre
Mauerfall getrocknet, fordert der Alltag seinen Tribut. Wo es ums
Geld geht, ist die Harmonie zwischen West und Ost nicht mehr
grenzenlos - das zeigen die zähen Verhandlungen über den
Länderfinanzausgleich. Ab 2020 dürfen die Bundesländer wegen der
Schuldenbremse keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Das verschärft die
Kämpfe um die Zuteilung der Steuergelder erheblich. Da geht es nicht
nur um Ost oder West, sondern allgemein auch um reiche gegen arme
Länder. Fördermittel sollen künftig nicht mehr nach Himmelsrichtung,
sondern nach Bedürftigkeit verteilt werden. In Nordrhein-Westfalen
sind viele Kommunen ausgesprochen bedürftig, und der Zustand der
Straßen und Brücken im bevölkerungsreichsten Bundesland ist
vielerorts ein Trauerspiel. Der Bund ist bisher auch nicht sonderlich
hilfreich. Jedenfalls sind von den fünf Milliarden Euro, die etwa der
Bundesverkehrsminister zusätzlich für Investitionen bereitstellen
will, noch kein müder Cent in Düsseldorf angekommen. Hannelore Kraft
wäre eine schlechte Ministerpräsidentin, wenn sie nicht auf diese
Verhältnisse hinweisen und mehr Geld für ihr Bundesland beanspruchen
würde. Nur sollte man sich keine Illusionen machen: Selbst wenn es
nicht mehr um Himmelsrichtungen geht, ist Ostdeutschland trotzdem
noch am bedürftigsten. Denn im Unterschied zum Westen hat der Osten
kaum Industrie und keine Konzernzentralen, sowohl die Wirtschafts-
als auch die Steuerkraft hinken weiter denen im Westen hinterher. Der
Osten wird über das Jahr 2020 hinaus noch auf Solidarität angewiesen
sein, wenn auch nicht mehr in dem Umfang wie kurz nach der
Wiedervereinigung. Hannelore Krafts Appelle zu einer gerechteren
Finanzverteilung wären zudem wirksamer, wenn sich NRW selber beim
Sparen stärker anstrengen würde. Die Düsseldorfer Finanzpolitik ist
und bleibt wegen der hohen Schulden angreifbar.
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