Mittelbayerische Zeitung: Kein Freifahrtschein ins Sozialparadies: Ob EU-Ausländer Hartz IV bekommen, muss im Einzelfall geprüft werden - eine kluge Entscheidung. Von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 11-11-2014 |
Regensburg (ots) - Manchmal sind Richtersprüche klug, manchmal
sogar weise. Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofes in
Luxemburg ist beides. Er hat klug entschieden, dass es keinen
Freifahrtschein ins vermeintliche Sozialparadies Deutschland geben
darf. Die harten Auflagen für den Bezug von Hartz IV durch
EU-Ausländer fanden den Segen der Richter. Zugleich hat das Gericht
weise geurteilt, indem es die deutschen Behörden zu genauer Prüfung
im Einzelfall aufforderte. Der Luxemburger Richterspruch könnte
ebenso segensreich zur Versachlichung einer hoch emotional geführten
Debatte in Deutschland beitragen. Es sei nur an die Schlagzeilen zur
"Armutszuwanderung" und zu "Sozialschmarotzern" vor knapp einem Jahr
erinnert. Im Vorfeld der Europawahlen machte die CSU ziemlich
ungeniert Stimmung gegen "Bulgaren und Rumänen", die nur nach
Deutschland kämen, um hier Sozialleistungen abzukassieren.
Rechtspopulisten und Rechtsextremisten sprangen auf diesen Zug auf.
Es wurde suggeriert, Deutschland werde von einer Welle von armen
Zuwanderern vom Balkan überschwemmt. Ohne die Probleme in mancher
großen Stadt kleinzureden, war das grotesk überzogen. Den
Christsozialen schließlich hat die Stimmungsmache bei der Eurowahl
nicht geholfen, sondern eher den Deutsch-Alternativen, die ins
Europaparlament einzogen. Dem harten Faktencheck hielten die kräftig
geschürten Befürchtungen ohnehin nicht stand. Nach Deutschland im
Zuge der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit eingereiste Rumänen und
Bulgaren beziehen zwar im Durchschnitt häufiger Sozialleistungen als
deutsche Staatsbürger, doch verglichen mit anderen Zuwanderern ist
ihre Quote nicht besonders hoch. Die Luxemburger Richter haben mit
ihrem gestrigen Urteil nun insofern für Klarheit gesorgt, dass für
den Bezug von Hartz IV in Deutschland wichtig ist, was der Zuwanderer
oder die Zuwandererin aus einem EU-Land hier unternehmen. Wer sich
nicht um Ausbildung und um einen Job kümmert, nur auf Leistungen vom
Jobcenter aus ist, hat schlechte Karten. Wer dagegen auch nur eine
schlecht bezahlte Arbeit annimmt, die nicht zum Lebensunterhalt
reicht, hat das Recht auf einen staatlichen Zuschuss. Die sogenannte
Aufstockung vom Jobcenter, wie sie deutsche Arbeitnehmer mit
mickrigem Einkommen auch bekommen. Es gilt auch, wer in Deutschland
arbeitet und in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, hat bei
Jobverlust Anspruch auf Arbeitslosengeld, später auch auf
Hartz-IV-Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Beim Kindergeld
freilich sieht die Sache anders aus, darauf haben EU-Ausländer vom
ersten Tag an einen Anspruch. Um den kriminellen Missbrauch unserer
Sozialsysteme, den es natürlich auch gibt, zu verhindern, hat der
Bundestag einige Maßnahmen beschlossen, die etwa Betrügereien beim
Kindergeld verhindern sollen. Wer die Behörden täuscht und etwa in
mehreren Städten gleichzeitig kassiert und von einem Jobcenter zum
nächsten springt, dem wird die Wiedereinreise verwehrt. Von der Frage
der EU-Zuwanderer klar zu trennen, ist dagegen das Pro-blem der
Bürgerkriegsflüchtlinge, die aus dem Irak, Syrien und anderen
Krisenherden zu uns kommen. Für sie gilt das Asylrecht. Wichtig für
beide Gruppen ist, dass sie einerseits von der Gesellschaft
integriert werden und dass sie sich andererseits auch wirklich
einbringen wollen.
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