Börsen-Zeitung: Europa an der Leine, Kommentar zum EU-Haushalt von Detlef Fechtner
Geschrieben am 18-11-2014 |
Frankfurt (ots) - Überrascht hat es niemanden, besorgt darüber ist
kaum einer: Die Europäische Union ist mal wieder damit gescheitert,
sich übers Geld zu einigen. Die Frist, um im ersten Anlauf eine
Verständigung zwischen EU-Parlament und den im Rat vertretenen
nationalen Regierungen über die Finanzierung der Staatengemeinschaft
im nächsten Jahr zu erreichen, ist in der Nacht zum Dienstag
abgelaufen. Gewiss, die materiellen Auswirkungen sind überschaubar.
Selbst wenn nun auch im zweiten Versuch ein Kompromiss misslingen
sollte, droht - anders als beim "Government Shutdown" in den USA -
keine Stilllegung der Verwaltung. Vielmehr ist dann eine
Von-einem-zum-nächsten-Monat-Budgetierung angesagt. Das hält manches
länger angelegte Vorhaben auf. Aber kein Beamter muss um seine
Überweisung am Fünfzehnten des Monats zittern.
Schwer wiegt hingegen der Imageschaden für die EU. Wer versteht,
warum die Briten erst Nachschuss-Regeln zustimmen, aber dann einen
Riesenaufstand machen, wenn es sie selbst erwischt - und die
EU-Partner darauf eingehen? Wer begreift, warum die durch
Kartellstrafen eingenommenen Milliarden nicht genutzt werden sollen,
um unbezahlte Rechnungen zu bezahlen? Wer hat Verständnis dafür, dass
der Rat jedes Mal den Kommissionsvorschlag stutzt - und das Parlament
wie aus Bockigkeit anschließend noch höhere Summen aufruft?
Allein: Es wäre unfair, dafür die Beteiligten verantwortlich zu
machen. Vielmehr leidet die Budgetplanung der EU an ihrem
strukturellen Fehler. Schließlich ist die Finanzierung der gesamten
Veranstaltung EU vom guten Willen der Hauptstädte abhängig, die
naturgemäß in Netto-Kategorien rechnen: Was muss ich zahlen, was
kriege ich raus?
Nur deshalb gibt es die - alles so kompliziert machende -
siebenjährige Finanzplanung, nur darum gibt es die vielen Anpassungen
und unbezahlten Rechnungen. Nur darum auch die schlagzeilenträchtigen
Nachzahlungen - und vor allem: Nur darum fällt es so schwer, den
Haushalt der EU zu modernisieren.
Kurzum: Man kann sich mit gutem Grund über das alljährliche
Theater rund um das EU-Budget empören. Aber wer das tut, sollte sich
bewusst sein, dass das zähe Geschacher frühestens dann aufhört, wenn
man Europa von der Leine lässt und aus der Abhängigkeit nationaler
Finanzierungsbeiträge entlässt. Insofern ist der aktuelle
Haushaltsstreit ein guter Anlass für die Regierungen, darüber
nachzudenken, ob sie eine Finanzierung der EU aus eigenen Quellen
weiterhin zum Tabuthema erklären.
Pressekontakt:
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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