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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Geschrieben am 29-01-2015

Bielefeld (ots) - Europa wirkt wie paralysiert. Am Tag fünf nach
der Griechenland-Wahl hatte man sich regelrecht gerüstet für die
absehbare Schlacht mit dem neuen Mann in Athen.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wusste schon vor seinem Treffen
mit Alexis Tsipras, dass er Tacheles reden werde und »keinen Bock«
auf Ideologie hatte. Heute ist Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem
vor Ort. Was wie der Sturm der 27 Aufrechten auf die Akropolis wirkt,
ist die Quittung für die Unprofessionalität der neuen hellenischen
Führung, die sich nur langsam von ihren Wahlkampf-Slogans trennen
kann. Erst gestern ruderte Tsipras in der Frage russischer Sanktionen
zurück. Was in der Union als außenpolitischer Schwenk Richtung Moskau
interpretiert wurde, sei nur die Kritik an der Fußnote einer
offiziellen Stellungnahme gewesen. Dann legte sein Außenminister
wieder nach und machte unmissverständlich klar, man werde verschärfte
Strafmaßnahmen mit einem Veto stoppen. Auch wenn Tsipras neu im Amt
ist: Was hätte es Wichtigeres gegeben, als erste überlegte Signale an
die zu senden, mit denen er über die Zukunft seines Landes verhandeln
will? Die Aufgeregtheit in den übrigen 27 EU-Hauptstädten schadet
Griechenland. Aber sie wurde und wird in Athen gezüchtet. Man hätte
sich gewünscht, dass die Polemik im Vorfeld des Urnengangs schneller
in politische Nüchternheit umgeschlagen wäre - um Freunde und
Verbündete, die die Hellenen gerade jetzt brauchen, nicht zu
verprellen. Und Ressentiments erst gar nicht entstehen zu lassen. Es
war ein schwerer Fehler, die Zerrbilder der neuen Führung nicht schon
im Keim zu ersticken - sollten es denn Zerrbilder sein. Wenn Tsipras
seine europäischen Partner nicht restlos verlieren will, muss er
schnell Vertrauen schaffen - sowohl in Sachen Euro-Mitgliedschaft wie
auch in Fragen der Außenpolitik. Es ist realitätsfern, das Gerede von
der Bevormundung durch Brüssel, Berlin und andere gebetsmühlenartig
zu wiederholen. Dort sitzen die Geldgeber, die das Land bisher
gestützt haben. Beschädigt wurde Griechenland von anderen. Wenn
Tsipras tatsächlich der politische Hoffnungsträger sein will, als der
er von seinen Wähler eingeschätzt wird, dann wird er wissen (oder
schnell lernen müssen), dass Athen starke Partner braucht, die es
nicht strategisch instrumentalisieren. Sich aus reinem finanziellen
Interesse von der starken europäischen Gemeinschaft ab- und einem
undurchsichtigen System wie Russland zuzuwenden, widerspricht allem,
was der griechische Premier wollen müsste. Dass Wahlversprechen wie
die Rücknahme der Privatisierung, die Erhöhung der Renten und
Mindestlöhne sowie die Wiedereinstellung von Beamten im Westen
Empörung auslösen, ist nachvollziehbar. Jetzt wird es Zeit, dass
Tsipras ohne Anfängerfehler und ohne den Griechen Sand in die Augen
zu streuen klarmacht, wofür er steht. Und was er wirklich von und mit
Europa will.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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