Börsen-Zeitung: Hoch ist nicht zu hoch, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Geschrieben am 06-02-2015 |
Frankfurt (ots) - Die Euphorie am deutschen Aktienmarkt ist für
das Erste verflogen. An die Stelle eines steilen Kursanstieges wie
seit Jahresbeginn ist in den vergangenen Tagen eine maue
Seitwärtsbewegung getreten. Dies dürfte weniger mit der neuen
Griechenland-Nervosität zu tun haben als vielmehr mit der gestiegenen
Bewertung deutscher Standardwerte. Denn der Dax hat mit seinem
rasanten Kursanstieg seit Jahresbeginn die Bewertungslücke zum weit
vorausgeeilten US-Aktienmarkt um rund die Hälfte verringert. Gemessen
am historischen Durchschnitt des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) ist
der deutsche Leitindex sogar schon überbewertet.
Dennoch: Am vergangenen Dienstag reichte es für den Dax noch
einmal zu einem Rekordhoch. Doch als dieser die 10984,69 Stellen
erreichte und allgemein der Sprung über die 11000-Punkte-Marke
erwartet wurde, endete die seit Jahresbeginn anhaltende Rally
zunächst einmal. Zur Erinnerung: Seit Anfang Januar hat der Dax
bereits gut 10% an Wert gewonnen und damit alle wichtigen
europäischen Aktienindizes hinter sich gelassen, während zugleich die
US-Märkte stagnierten. Für den globalen Aktienleitindex S&P500 steht
im laufenden Jahr ein mickriges Plus von 0,5% zu Buche. Die Dax-Rally
hatte Mitte Oktober vergangenen Jahres eingesetzt, als die
Marktteilnehmer erkannten, dass Rezessionssorgen für Deutschland
überzogen waren. Zudem begann die zu erwartende quantitative
Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) und die damit verbundene
zusätzliche Liquidität die europäischen Aktienmärkte anzuschieben.
Billiges Öl und ein schwacher Euro taten ein Übriges. Diese beiden
Faktoren liefen zuletzt aus. Der Ölpreis stieg jüngst wieder an, der
Euro-Kurs pendelte sich zwischen 1,13 und 1,15 Dollar ein.
KGV legt deutlich zu
Mit dem Anstieg des Dax erhöhte sich auch dessen Bewertung.
Berechnungen der Commerzbank zufolge liegt derzeit das nach vorn
gerichtete KGV im Dax bei 13,7. Dies bedeutet, dass der Index mit dem
13,7-Fachen der erwarteten Unternehmensgewinne bewertet wird. Mitte
Oktober lag dieser Indikator nur bei 10,9. Im zuletzt ebenfalls
starken Nebenwerte-Index MDax liegt das erwartete KGV sogar bei 17,6,
im EuroStoxx50 sind es 14,6. Zum Vergleich: Der als heiß gelaufen
geltende S&P500 kommt auf einen Wert von 16,5.
Noch Luft nach oben
Europa scheint damit im Vergleich zu US-Aktienmärkten noch Luft
für die Bewertung nach oben zu haben. Allerdings nicht im
historischen Vergleich. Laut den Commerzbank-Daten sind die
Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks bereits überbewertet.
Sollte das KGV auf den Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre
zurückkehren, müsste dieser Indikator im Dax wie auch im S&P500 um
16% fallen. Kein Wunder also, dass die Rally zum Stehen gekommen ist.
Die deutlichste Überbewertung der sechs von der Commerzbank
betrachteten Indizes haben nach diesem Kriterium die beiden
europäischen Indizes EuroStoxx50 und Stoxx600, deren KGV um 23%
fallen müsste, um auf den historischen Schnitt zurückzukehren. "Die
relativ hohen KGV sind der Hauptgrund, warum wir erwarten, dass sich
die weltweiten Aktienindizes in den kommenden Monaten seitwärts
bewegen dürften", schreibt Commerzbank-Aktienexperte Andreas Hürkamp.
Allerdings unterstellt dieses Szenario konstante
Unternehmensgewinne. Verdienen die Firmen nämlich wieder mehr, so
sinkt das KGV im Gegenzug. Gleiches gilt, solange die Kurse weniger
stark als die Gewinne steigen. Damit korrigiert sich die Bewertung,
ohne dass Anleger unter fallenden Kursen leiden.
Chance auf Normalisierung
Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht. Jüngste Konjunkturdaten
aus Europa deuten auf eine Aufhellung hin. Insbesondere Italien
scheint nach den jüngsten Arbeitsmarktreformen Fahrt aufzunehmen.
Zudem stellt sich die Frage, zumindest aus Sicht der Optimisten, ob
in einer Zeit einer quantitativen Lockerung die historischen
Bewertungsmaßstäbe noch gelten. Wenn auch die Euphorie weg ist, so
scheinen weiter steigende Dax-Notierungen trotz hoher Bewertungen
möglich.
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