Börsen-Zeitung: Künstliche Verzerrungen, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Geschrieben am 27-02-2015 |
Frankfurt (ots) - Wer dieser Tage ein gemischtes Portfolio aus
Aktien und Anleihen zu managen hat, der kann sich scheinbar entspannt
zurücklegen. Doch tatsächlich sitzt der Vermögensverwalter mit dieser
Ausrichtung mittelfristig in der Falle.
Richtig ist: In beiden Anlageklassen steigen die Kurse nahezu
unaufhaltsam. Das gilt für die europäischen Aktienmärkte ebenso wie
für Euro-Staatsanleihen und Kreditbonds wie Unternehmensanleihen
hoher und niedriger Bonität. In solch einem Umfeld kann ein
Vermögensverwalter nur Gewinne erzielen, egal wie er sich
positioniert hat. Lediglich die Höhe der Erträge wird unterschiedlich
ausfallen. Wer zu Jahresbeginn sein Geld ausschließlich auf
Bundesanleihen setzte, hat gemessen am Bund-Future bereits nach zwei
Monaten einen Wertzuwachs im Portfolio von 2,5% verbuchen können.
Noch vor wenigen Jahren hätte jeder Marktteilnehmer angesichts
eines solchen Kursanstiegs bei dem Terminkontrakt auf die zehnjährige
Bundesanleihe einen parallelen Crash am Aktienmarkt erwartet. Aber
2015 ist nicht 2008, als der Bund-Future in Reaktion auf die
Lehman-Pleite aus Angst vor einem Kollaps des Finanzsystems in die
Höhe schoss. Nebenbei bemerkt: Ende 2008 stand der Bund-Future bei
125%, nun sind es knapp 160%, und die deutsche Zehnjahresrendite ist
fast bei null angekommen.
Doch von einem kollabierenden Aktienmarkt ist weit und breit
nichts zu sehen - und nach Ansicht vieler Marktteilnehmer ist dies
auch nicht zu erwarten, selbst wenn es einmal in Kürze eine kräftige
Korrektur mit Gewinnmitnahmen geben sollte. Stattdessen steigen die
Aktienkurse europaweit unaufhörlich an. Viele Indizes erreichen -
jedenfalls nominal betrachtet - neue Rekordstände.
Gleichgerichtete Bewegung
Ob Frankfurt, Paris oder Mailand: Die entsprechenden Leitindizes
sind im laufenden Jahr zwischen 15 und 17% angestiegen und haben
damit schon jetzt den Analystenkonsens für Gesamtjahr übertroffen.
Der Dax schloss am Freitag über 11400, der MDax über 20000 Stellen.
Große Zahlen allenthalben: Im Dax wächst die Zahl von Unternehmen mit
dreistelligem Aktienkurs, vor noch nicht all zu langer Zeit quasi
noch das Privileg der Munich Re.
Offenbar ist an den Finanzmärkten etwas aus dem Ruder gelaufen,
wenn solche gleichgerichteten Bewegungen von Staatsanleihen und
Aktien zu beobachten sind. Denn typischerweise entwickeln sich ihre
Kurse gegenläufig. Staatsanleihen, insbesondere von bonitätsstarken
Emittenten wie Deutschland und den Vereinigten Staaten mit zudem
hoher Liquidität, sind traditionell der sichere Hafen, wenn die
Risikobereitschaft von Anlegern sinkt - wegen einer schwachen
Konjunktur oder geopolitischen Gefahrenherden.
EZB hebt Korrelation auf
Hingegen sind Aktien, historisch betrachtet, immer dann gefragt
gewesen, wenn die Investoren sich risikofreudiger gezeigt haben. In
einem gemischten Portfolio haben sich Aktien und Anleihen gegenseitig
ausgeglichen, bei geschicktem Management ließen sich gute Erträge
durch den Wechsel zwischen den beiden Anlageklassen erzielen. Die
negative Korrelation von Aktien und Anleihen ist aufgehoben.
Hauptgrund dafür sind die bevorstehenden Anleihekäufe der
Europäischen Zentralbank (EZB). Sie erhöhen die Nachfrage, während
das Angebot wegen der Konsolidierung der Staatshaushalte - Stichwort
"Schwarze Null" - weiter schrumpft. Sinkende Renditen sind die
logische Marktreaktion auf diese Verzerrung auf der Angebots- wie der
Nachfrageseite. Die niedrigen Renditen wiederum schaffen einen
Anlagedruck und führen zusammen mit der hohen Liquidität zu
steigenden Aktienkursen. Wobei die Rekorde am Aktienmarkt nur zum
Teil mit dem sogenannten "billigen Geld" zu tun haben. Dahinter
stehen auch die beginnende Konjunkturerholung in Europa und die
Erwartung steigender Unternehmensgewinne. Nach einer Berechnung von
S&P Capital wird für europäische Aktien am Markt für dieses Jahr mit
einem Anstieg des Gewinns je Aktie um 10% gerechnet.
Dennoch: Die gleichgerichtete Bewegung von Aktien und Anleihen
birgt große Gefahren. Im Fall steigender Risikoaversion besteht kein
Fluchtweg zur Performance-Absicherung in Euro-Staatsanleihen. Diese
künstlich erzeugten Verzerrungen werden sich irgendwann entladen,
ganz so wie tektonische Verspannungen früher oder später zu einem
Erdbeben führen. Auslöser könnte eine Zinswende in den USA in wenigen
Monaten sein. Möglicherweise steht den verspannten Finanzmärkten
deshalb ein Sommer der Volatilität bevor.
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Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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