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Börsen-Zeitung: Zinsfantasien, Marktkommentar von Stefan Schaaf

Geschrieben am 20-03-2015

Frankfurt (ots) - Wieder nichts mit der Zinswende. Dabei hat die
US-Notenbank Federal Reserve dieser Tage den nächsten Schritt zur
Normalisierung der Geldpolitik getan. Sie strich offiziell das Wort
"geduldig" als Charakterisierung ihrer Geldpolitik aus ihrer
Verlautbarung. Damit hat die Fed, gemessen an ihren eigenen
Ankündigungen, die Tür geöffnet für eine Zinserhöhung im Juni. Das
wäre ein historischer Schritt zur Normalisierung der Geldpolitik, die
der Notenbank in Washington wieder Spielraum eröffnen würde. Sie wäre
auch ein klares Zeichen, dass zumindest in den Vereinigten Staaten
die Finanzkrise zunehmend abgehakt wird - auch dank des gewohnt
hemdsärmeligen und pragmatischen Zupackens der Amerikaner.

Nur, die Märkte mochten in den vergangenen Tagen keine rechten
Zinsfantasien entwickeln. Im Gegenteil, die Renditen von
US-Staatsanleihen sanken direkt nach der Pressekonferenz von Janet
Yellen, die Rendite zehnjähriger Treasuries fiel wieder unter die
Marke von 2%. Zugleich erlitt der Dollar einen regelrechten, wenn
auch kurzzeitigen Schwächeanfall. Einige Marktteilnehmer sprachen gar
von einem Flash Crash am Devisenmarkt in der Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag. Der Euro schoss binnen Stunden um mehr als vier US-Cent
nach oben, um bald darauf - auch wegen neuer Griechenland-Nervosität
- wieder zurückzufallen. Aber auch beim Dollar-Yen-Kurs schoss die
Volatilität in die Höhe. Von einer Dollar-Rally war nichts zu sehen,
Gewinne wurden mitgenommen.

Frage der Geschwindigkeit

Die Marktteilnehmer glauben doch nicht an die Zinswende in den
USA, so hat es den Anschein. Zu dieser Erwartung trugen Yellens
Bemerkungen bei, dass die Fed flexibel anhand der Daten handeln
werde. Sie hat die Tür aufgestoßen, aber offengelassen, ob sie im
Juni bereits hindurchgehen wird. Und noch unklarer ist, in welcher
Geschwindigkeit die Notenbank den Zinspfad beschreiten wird.

Die noch immer gedämpfte Inflation und jüngste Konjunkturdaten
sprechen für ein langsames Vorgehen: Die Zahl der unter
Markterwartungen liegenden US-Daten ist zuletzt gestiegen, während in
der Eurozone vermehrt positive Überraschungen vermeldet wurden. Auch
dies ein Grund, warum die Abwertung des Euro zuletzt trotz der
Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) weitgehend zum
Stillstand kam. Sie waren bereits eingepreist, die positiven
Überraschungen auf der Konjunkturseite noch nicht. Doch der
Dollar-Kurs und die Zehnjahresrendite sind nur ein Ausschnitt der
Markterwartungen. Zumal die US-Treasury-Renditen eng mit denen für
Bundesanleihen korreliert sind, da dies die beiden global liquidesten
"AAA"-Anlagen sind. Wegen der quantitativen Lockerung in der Eurozone
stehen bei deutschen Staatsanleihen die Zeichen auf einen weiteren
Renditerückgang, im Zehnjahresbereich wurden zum Wochenschluss
erstmals 0,168% erreicht. Dies bremst auch die US-Renditen.

Aussagekräftiger für Zinserwartungen sind ohnehin die Renditen der
zweijährigen Treasuries, denn wer weiß schon, wie in sieben, acht
oder gar neun Jahren das Zinsumfeld sein wird. Zwei Jahre sind
überschaubarer. Und für diesen Zeitraum zeigt die US-Zinstendenz seit
Mitte Januar weitgehend nach oben.

Aktien preisen Zinswende ein

Und auch andere Marktsegmente preisen offenbar eine Zinswende in
den USA ein. Die ohnehin schon hoch bewerteten US-Aktienmärkte
schwächeln seit Wochen, der Leitindex S&P 500 entfernt sich immer
weiter von seinem Rekordniveau und hält sich gerade noch so über der
Marke von 2000 Punkten. Doch insbesondere Anlagen aus den
Schwellenländern stehen unter Druck, ihre Währungen werten auf
breiter Basis ab. Das ist in Fällen wie Brasilien (Petrobras-Affäre,
Reformstau) oder der Türkei (Angriffe der Politik auf die
Unabhängigkeit der Notenbank) auch hausgemacht. Doch in der Breite
droht den Schwellenländern ein Kapitalabfluss, wenn die USA wieder
mit höheren Zinsen locken.

Flexibilität heißt Volatilität

Die Märkte bleiben also weiterhin für eine US-Zinswende
positioniert, wenngleich dafür wohl mehr Geduld nötig sein wird, als
mancher noch vor einer Woche erwartet hatte. Da die Fed sich flexibel
an den Konjunkturdaten orientieren will, dürfte es in den kommenden
Wochen ein stetes Auf und Ab der Zinsfantasien geben. Die Folge wird
ein deutlicher Anstieg der Volatilität sein, die Ereignisse von
Mittwochnacht geben einen Vorgeschmack. Auch geduldige Investoren
brauchen dann starke Nerven.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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