Börsen-Zeitung: Trügerische Rally, Marktkommentar zur Wahl in Großbritannien von Stefan Schaaf
Geschrieben am 08-05-2015 |
Frankfurt (ots) - Finanzmärkte bevorzugen konservative
Regierungen. Sie gelten als unternehmens- und investorenfreundlich,
ihnen werden solidere Staatsfinanzen und weniger Umverteilung
zugetraut. Und wenn es oft auch linke Regierungen sind, die harte
Strukturreformen durchdrücken, man denke nur die "Agenda 2010" in
Deutschland oder die jüngsten Arbeitsmarktreformen in Italien, so ist
das Zutrauen von Investoren zu konservativen oder
liberal-konservativen Regierungen doch in aller Regel größer.
Jüngstes Beispiel ist die Parlamentswahl in Großbritannien, die
unerwartet eine konservative Alleinregierung an die Macht bringt. Die
Tatsache, dass Premierminister David Cameron mit seinen Tories
voraussichtlich allein regieren kann, hat am Freitag den Londoner
Finanzmarkt euphorisiert: Das Pfund Sterling schoss um 2% auf ein
Zehn-Wochen-Hoch von 1,5524 Dollar hoch, zugleich fiel der Euro um
1,7% auf 72,67 Pence zurück. Auch der Londoner Aktienmarkt reagierte
mit einem deutlichen Kursanstieg auf das unerwartet klare
Wahlergebnis, der britische Leitindex FTSE 100 stieg um 2,5% und
hängte damit die meisten kontinentaleuropäischen Aktienmärkte ab.
Besonders Bankaktien waren gefragt, da eine Labour-Regierung die
Branche wohl stärker reglementiert und belastet hätte.
Klare Verhältnisse
Die Euphorie der Märkte ist zum einen dem klaren Wahlausgang
geschuldet. Schließlich gab es Befürchtungen, das Vereinigte
Königreich könnte unregierbar werden, weil sich im Parlament keine
regierungsfähige Mehrheit findet. Diese Sorge ist vom Tisch. Zudem
trauen Marktteilnehmern den Tories eine wirtschaftsfreundlichere
Politik zu, was angesichts der Wahlprogramme der Labour-Partei wie
auch der erstarkten Schottischen Nationalpartei (SNP) wohl auch
zutreffen dürfte. Das gilt insbesondere für die nötige Sanierung der
britischen Staatsfinanzen. Schließlich hat kaum ein Industrieland
wegen der Finanzkrise einen derartigen Schuldenanstieg erlebt wie das
Vereinigte Königreich.
Von der Aussicht auf eine Sanierung der Staatsfinanzen dürften
britische Staatsanleihen, die Gilts, profitieren, zumal die
Ratingagenturen zunehmend ungeduldig mit den Briten werden. Der
Schuldenstand des Königreichs lag Ende 2014 bei 89,4% der
Wirtschaftsleistung und damit rund 12,5 Prozentpunkte höher als in
Deutschland. Am Freitag sanken die Gilt-Renditen im Gleichlauf mit
den übrigen europäischen Bondmärkten. Angesichts der Erwartungen
einer wirtschaftsfreundlichen Politik bezeichnet Sonja Marten,
Leiterin der Devisenanalyse bei der DZ Bank, den Wahlausgang für das
Pfund Sterling als "äußerst erfreuliches Ergebnis". Sie kündigte an,
ihre Prognosen zu überarbeiten. Allerdings ist die jüngste
Sterling-Erholung weniger politisch motiviert gewesen, sondern
erfolgte mehr oder weniger im Gleichlauf mit dem Euro, da die
Erwartungen an steigende US-Zinsen nachließen.
Doch die erste Tory-Euphorie könnte aus zwei Gründen schon bald
verflogen sein. Cameron hatte sich im Wahlkampf gegen höhere Steuern
ausgesprochen, so dass er den Staatshaushalt nicht mittels höherer
Einnahmen sanieren kann. Das bedeutet Austeritätspolitik, und für die
gilt auch in Großbritannien, dass dies zunächst einmal das
Wirtschaftswachstum wegen einer sinkenden gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage belastet.
Von Brexit bis Engxit
Das größere Risiko für die Märkte sind jedoch die Fliehkräfte,
welche das Wahlergebnis für das noch Vereinigte Königreich haben
könnte. Cameron, selbst ein Befürworter der EU-Mitgliedschaft seines
Landes, hat den europafeindlichen Tory-Flügel mit dem Versprechen
eines Referendums ruhiggestellt. Das Votum wird nun kommen, und auch
wenn die Briten sich zuletzt wieder europafreundlicher äußerten, das
politische Risiko wird steigen. Schließlich wäre ein EU-Austritt das
Ende des Geschäftsmodells "Europäisches Finanzzentrum London", was
den Immobilienmärkten in Frankfurt und Paris wohl einen Schub gäbe,
für die britische Volkswirtschaft jedoch ein Desaster wäre. Die
Ratingagentur Moody's hat bereits eine Warnung Richtung London
ausgesprochen.
Doch mit dem Brexit ist es nicht genug, die erstarkte SNP könnte
ein neues Schottland-Referendum anstrengen. Und je mehr Sonderrechte
die Schotten sich sichern, desto lauter dürften die Engländer
grummeln und eine eigene parlamentarische Vertretung fordern. Ob
Brexit, Scoxit oder Engxit - die Nervosität und die Volatilität
werden steigen, auch wenn der Home Bias der von Briten dominierten
Handelsdesks in London diesen Trend verlangsamen dürfte.
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