Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Tarifstreit bei Kitas, Pflege und anderen
Arbeit am Menschen
Günther Wiedemann
Geschrieben am 15-05-2015 |
Bielefeld (ots) - Streikende Erzieherinnen und Erzieher sind in
diesen Tagen die Speerspitze eines sich immer deutlicher
herausbildenden, neuen Trends in der Tarifpolitik der Gewerkschaften.
Frank Bsirske, der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, bringt es so
auf den Punkt: "Die Arbeit mit und für Menschen hat deutlich mehr
Anerkennung verdient." Damit zielt er nicht auf lobende Worte; er
meint das Gehalt. Wertschätzung beruflicher Leistungen drückt sich
vor allem über die Höhe der Entlohnung aus. Daran knüpft sich die
Frage, was wir alle für diese Dienste bereit sind zu zahlen. Mit
seinem Satz rechtfertigt Bsirske aktuell die gegenwärtigen Streiks
des Kita-Personals. Aber er meint damit längerfristig nicht nur diese
Beschäftigten: Am Internationalen Tag der Pflegenden in dieser Woche
haben Verdi, die Sozialverbände und zahlreiche Politiker eine bessere
Anerkennung auch der Arbeit der Pflegekräfte in Krankenhäusern und
Altenheimen angemahnt. Es ist mit Streiks in Kliniken und
Seniorenheimen zu rechnen, weil die Arbeitgeber nicht ohne weiteres
dem Ziel der Gewerkschaften zustimmen werden, Pflegekräften neben dem
allgemeinen Einkommenszuwachs im öffentlichen Dienst ein zusätzliches
Mehr einzuräumen, wie es jetzt für Erzieherinnen durchgesetzt werden
soll. Verdi, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und
die Fachorganisationen im Deutschen Beamtenbund reagieren mit ihrem
Engagement für Beschäftigte in sozialen Berufen auf wirtschaftliche
und gesellschaftliche Umbrüche. Betreuung und Pflege von Angehörigen
ist aufgrund sozialer Veränderungen nicht mehr wie noch vor
Jahrzehnten über familiäre Strukturen zu gewährleisten; diese Arbeit
hat sich zu einer außerhäuslichen Dienstleistung entwickelt, für die
es, nicht zuletzt wegen gestiegener Anforderungen, zunehmend mehr
professioneller Fachkräfte bedarf. Die sind jedoch in der notwendigen
Anzahl ohne angemessene Bezahlung nicht zu bekommen. Und von der sind
Pflegekräfte und andere Beschäftigte im sozialen Bereich noch ein
gutes Stück entfernt. In Industrie und Handwerk sind jedenfalls
vielfach höhere Einkommen zu erzielen. Diese Wirtschaftsbereiche sind
das Rückgrat unserer ökonomischen Leistungsfähigkeit, auch wenn
Dienstleistungen inzwischen erheblich zu wirtschaftlicher
Wertschöpfung beitragen. In der Lohnpolitik hat dieser Wandel (weg
von der reinen Industriegesellschaft) bislang jedoch noch nicht
seinen angemessenen Niederschlag gefunden. Die Tarifforderungen der
Gewerkschaften orientieren sich meist an den Möglichkeiten der
Industrie. Hier sind Veränderungen durchaus angebracht, wenn sie die
ökonomische Basis im Auge behalten. Der Slogan "Arbeit mit Menschen
darf nicht schlechter bezahlt werden als Arbeit mit Maschinen" ist
populär und klingt gut. Er hat durchaus einen berechtigten Kern, aber
Lohnpolitik hat auch wirtschaftliche Zusammenhänge zu beachten. Über
eine bessere Bezahlung Beschäftigter in sozialen Berufen herrscht
weitgehend Konsens. Details sind umstritten wie jetzt beim
Kita-Personal. Zu wenig bedacht wird aber die Finanzierung. Wer will
schon höhere Kindergartenbeiträge oder höhere Steuern? In der Pflege
sind bessere Gehälter nur zu finanzieren, wenn die Kassenbeiträge
steigen. Der neue Trend in der Lohnpolitik hin zu einer
eigenständigeren Tarifpolitik für soziale Dienstleistungen ist
richtig. Deshalb müssen wir als Gesellschaft intensiver und ehrlich
darüber sprechen, was uns die Arbeit mit und für Menschen letztlich
wert ist, beziehungsweise, wo wir dort zu Abstrichen bereit sind.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
567232
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: zur Griechenland-Krise Bielefeld (ots) - Zwischen den Wahlversprechen der griechischen
Regierung und den Forderungen der Geldgeber scheint kein Raum für
Kompromisse zu sein. Syriza ist linke Bewegung und Sammelbecken - und
das Ergebnis der sozialen Situation in Griechenland. Als Krisenpartei
setzt Syriza ihre Versprechen ziemlich konsequent um. Dabei betreibt
die neue Regierung in Athen eine ähnliche Klientelpolitik wie ihre
Vorgänger. Trotz der drohenden Pleite des Landes leistet es sich
Ministerpräsident Alexis Tsipras, das 2013 geschlossene
Staatsfernsehen mehr...
- Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zum Roaming Stuttgart (ots) - Die Befürchtung, die
Telekommunikationsunternehmen könnten den Verbrauchern mit dem
Wegfall der Auslandsgebühren höhere Preise für ihre Mobilverträge
aufbrummen, ist ein Vorwand. Schon jetzt ist der Konkurrenzkampf
zwischen den Mobilfunkanbietern so groß, dass er die Preise von
Verträgen mit Endlosfreiminuten und -kurznachrichten sowie
unbegrenztem Downloadvolumen für das mobile Internet purzeln lässt.
Mit dem Ende der Auslandsgebühren würde der Wettbewerb weiter
befeuert - zugunsten der Verbraucher. Wenn Europa mehr...
- Lausitzer Rundschau: Erniedrigung und Devotion
Zu den neuesten Enthüllungen in der BND-NSA-Affäre Cottbus (ots) - Wie die Amerikaner mit ihren deutschen Freunden
umgehen, grenzt an Erniedrigung. Und wie die mit sich umgehen lassen
an Devotion. Die Fakten: Die amerikanische NSA hat ungeniert mit
ausgefeilten Programmen die Kommunikation in Deutschland und Europa
durchgefiltert, sie hat nicht einmal gezögert, das Handy der
Kanzlerin abzuschöpfen. Sie hat dem Bundesnachrichtendienst an die 25
000 Begriffe und Suchdaten (Selektoren) untergejubelt, die zur
Ausspähung von deutschen und europäischen Interessen dienten, vor
allem der mehr...
- Rheinische Post: Kommentar /
Militär gegen Schlepper
= Von Helmut Michelis Düsseldorf (ots) - Die Absicht der EU, verstärkt gegen die
Schleuser vorzugehen, die mit dem Flüchtlingselend im Mittelmeerraum
Millionen verdienen, ist sinnvoll. Bedenken im Detail sind aber
angebracht. So muss das angestrebte "robuste Mandat" des
Weltsicherheitsrats dringend genauer definiert werden. Ein
Militäreinsatz auf libyschem Bürgerkriegsgebiet birgt unkalkulierbare
Risiken; die Zerstörung von Flüchtlingsbooten wird wenig ausrichten,
solange die dahinterstehenden kriminellen Strukturen nicht aufgeklärt
und zerschlagen werden. mehr...
- Rheinische Post: Kommentar /
Merkel muss reden
= Von Michael Bröcker Düsseldorf (ots) - Man sollte die Bundeskanzlerin gelegentlich an
ihren Amtseid vom 17. Dezember 2013 erinnern. Damals schwor Angela
Merkel, Schaden vom Volk abzuwenden und das Grundgesetz zu achten.
Selbst bei äußerster Zurückhaltung fällt es schwer, diese Versprechen
in der BND-Affäre nicht als gebrochen zu bewerten. Die inzwischen
öffentlich gewordenen E-Mails aus dem US-Präsidentenbüro lassen
keinen anderen Schluss zu, als dass Merkel und ihre Getreuen die
Wähler im Bundestagswahlkampf mit der Aussicht auf ein
"No-Spy-Abkommen" mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|