Neue Westfälische (Bielefeld): Referendum in Griechenland
Undemokratisch
CARSTEN HEIL
Geschrieben am 05-07-2015 |
Bielefeld (ots) - Die Griechen haben sich knapp gegen den
Reformkurs ausgesprochen. Sie müssen mit dem Ergebnis leben. Was de
facto wohl nicht viel anderes ist, als es bei einem "Ja" zu Reformen
und Sparanstrengungen wäre: Verarmung der Mittelschicht, Verelendung
gar der schon heute Armen. Eine bittere Zukunft liegt vor dem so
geliebten Urlaubsland. Der Ernst der Lage wurde zu lange geleugnet,
zuletzt von der eigentümlichen aktuellen Links-rechts-Regierung. Es
war jedoch richtig, dass die Griechen über die Fragen des
Reformpaketes abstimmen konnten. Es steht einer Demokratie - der
Wiege der Demokratie allemal - gut an, existenzielle Entscheidungen
vom Souverän treffen zu lassen. Wie aber das Referendum in
Griechenland durchgeführt wurde, ist undemokratisch. Es war eine
Abstimmung wie einst zu Kaiser Augustus' Zeiten, als alle Welt
geschätzet würde und sich in die eigene Heimatstadt aufmachen musste.
Griechen, die sich an der Abstimmung beteiligen wollten, mussten
teils weit in ihre Heimat reisen. Das konnten sich ärmere Menschen
nicht leisten. Sozialauswahl bei der Stimmabgabe. Ein Hinweis darauf,
dass der griechische Staat wieder einmal überfordert ist. Das
wiederum ist ein Kernproblem der Situation. Selbst wenn der
politische Wille vorhanden wäre, Reformen zu beschließen, wäre der
Staat nicht in der Lage, sie umzusetzen. Viel zu schnell wurde in
Anbetracht dessen das Verfahren durchgepeitscht, weil die Abstimmung
ein politischer Hebel im Poker zwischen Athen und Brüssel war. Sie
war seitens der Regierung Tsipras eben kein demokratisches Votum,
sondern ein demokratisches Feigenblatt. Künftige
Manipulationsvorwürfe würden kaum überraschen. Die Griechen haben nun
die Zeche zu zahlen für lange eigene Misswirtschaft und für die
Verwöhnpolitik der EU. Daran hätte auch ein anderer Ausgang der
Abstimmung nichts geändert. Wer reformiert, wenn ihm immer wieder
Subventionsmilliarden auf dem Silbertablett serviert werden, wie sie
lange Jahre aus Brüssel in Athen eintrafen? So konnten die Griechen
auch jetzt nicht den Sparhebel umlegen, wie es Portugiesen, Spanier
und Balten längst gemacht haben. Die verlassen nun Schritt für
Schritt das Tal der Tränen.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
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