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Westfalen-Blatt: zur Wirtschaft in Zeiten der Krisen

Geschrieben am 10-07-2015

Bielefeld (ots) - Kommt er jetzt oder kommt er nicht, der
griechische Schuldenschnitt? Die Frage, die die Medien hierzulande
seit Monaten beschäftigt, lässt die europäische Wirtschaft eigenartig
kalt. Als sich die Bevölkerung Griechenlands am vergangenen Sonntag
gegen die weiteren Reformen und hinter den Zickzack-Kurs ihrer
Regierung stellte, schüttelten sich die Börsen einen Augenblick. Die
Kurse sanken um 3,3 Prozent. Das war's aber auch. Mehr passierte
nicht. Mindestens ebenso erstaunlich ist die Gelassenheit, die
Unternehmer und Anleger hinsichtlich der anderen Krisen an den Tag
legen. Am häufigsten werden noch die Folgen des Kriegs in der
Ukraine angeführt. Doch selbst dieser bewaffnete Konflikt vor der
eigenen Haustür gerät schon mal in Vergessenheit. Der Terror des
Islamischen Staates, von El Kaida, Ansarullah und Boko Haram,
weltweit mehr als 30 Kriege: Alle diese Brandherde lassen die
Wirtschaft kalt. Da beschäftigte man sich in der vergangenen Woche
sogar mehr mit den Kursverlusten an chinesischen Börsen -
obgleich diese im Wesentlichen von Spekulationen angetrieben wurden.
Nun sind Unternehmer schon von Berufs wegen Optimisten. Wären sie
Pessimisten, würden sie ihr Geld irgendwo tief unter der Bettdecke
verstecken und hier das Ende der Welt erwarten. Allerdings gründet
in diesem Fall das Prinzip »Business as usual« auch auf der
Annahme, es sei Sache der Politik, die Krisen zu meistern. Das ist
zwar im Prinzip richtig. Doch sollte dies die Wirtschaft nicht
davon abhalten, über die Folgen nachzudenken. Dabei reicht es nicht,
sich nur an Zahlen zu halten. Sie ergeben gerade am Beispiel
Griechenland auf den ersten Blick ein scheinbar klares Bild: Nur 2,5
Prozent der europäischen Staatsschulden entfallen auf Athen. An der
weltwirtschaftlichen Leistung hatte Griechenland auch schon vor der
jetzigen Krise gar nur einen Anteil von 0,3 Prozent. Da ist man als
Unternehmer geneigt, die ganze Griechenland-Frage als rein soziales
Problem zur Seite zu schieben. Diese Sicht verkennt, dass es nur
eine Welt gibt. Die Ökonomie kann sich nicht losgelöst von
politischen Konflikten, sozialen Bewegungen und ökologischen
Veränderungen entwickeln. Mal abgesehen, dass es ganz einfach
brutal ist, wenn manche fordern, die Griechen »sich selbst zu
überlassen«: Weder machen soziale Bewegungen an einer Landesgrenze
halt, noch kann sich Europa an der Südostflanke einen machtfreien
Raum leisten - auch nicht die Wirtschaft. Sicher, dieses ewige Hin
und Her, das ständige Aufstellen und Beiseiteräumen von Ultimaten,
das muss ein Ende haben. Auf der anderen Seite müssen die
Finanzminister und Regierungschefs an diesem Wochenende eine Lösung
erarbeiten, die länger hält als die bisherigen Maßnahmen. Von einem
Erfolg hängt viel ab - auch und gerade für die europäische
Wirtschaft. Die Chancen sind nach dem Auftauchen einer griechischen
Reformliste wieder etwas größer.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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