Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Pflegereform
Geschrieben am 12-08-2015 |
Regensburg (ots) - Jeder will alt werden, aber keiner will es
sein. Es ist der Wunsch wohl aller Menschen, ein hohes Alter zu
erreichen. Methusalem, der es der Bibel nach auf mehrere hundert
Jahre Lebenszeit gebracht hat, lässt grüßen. Zugleich jedoch schreckt
der Gedanke ab, im Alter gebrechlich und auf die Hilfe anderer
angewiesen zu sein. Alt werden ja, aber hilfebedürftig sein, nein.
Freilich geht es im Leben nicht immer nach den persönlichen Wünschen.
Pflegebedürftig sind manche Menschen von Geburt an, manche nach
schweren Unfällen oder Krankheiten, viele werden es im Alter. Wie
eine Gesellschaft mit "Pflegefällen" umgeht, sagt viel über ihre
Werte, aber auch über ihre wirtschaftliche und soziale Kraft aus. Es
war ein Verdienst von Norbert Blüm, vor zwei Jahrzehnten die
Pflegeversicherung in Deutschland einzuführen. Gegen große
Widerstände in den eigenen Unionsreihen und gegen Widerstände aus dem
Arbeitgeberlager. Das ist Geschichte und der aktuelle Blüm-Nachfolger
Hermann Gröhe macht sich nun daran, den vielen Reformen der
Pflegeversicherung seit Blüms Zeiten eine weitere folgen zu lassen.
Diesmal freilich handelt es sich wirklich um tiefgreifende
Änderungen, keine Reförmchen, wie in den letzten Jahren so oft
geschehen. Dabei ist Gröhes werte- und auf den Menschen bezogener
Ansatz richtig: Gute Pflege muss uns mehr wert sein! Die jetzige
Reform, die ab 2017 zu greifen beginnen soll, zielt deshalb nicht nur
- aber natürlich auch - auf mehr Geld für die Pflegeversicherung ab.
Etwa fünf Milliarden Euro soll es jährlich mehr für Leistungen von
pflegenden Angehörigen und Fachkräften geben. Das klingt gewaltig
viel. Bei Licht besehen und mit Blick auf die Herausforderungen in
diesem Bereich jedoch, ist das keinesfalls zu viel, eher zu wenig.
Gröhes Reform macht dabei endlich Schluss mit der bisherigen
Ausgrenzung von Menschen mit Demenz, was man früher unter
Altersverwirrtheit zusammenfasste. Auch diese Menschen bekommen in
den Leistungen der Pflegeversicherung und der neuen Eingruppierung in
fünf Pflegegrade ihren Platz. Möglicherweise holt Gröhe damit 500 000
Menschen aus dem Zustand der Nicht-Versorgung heraus. Ob das, was
Gröhe vorschlägt, auch ausreichen wird, um den steigenden Bedarf an
unterschiedlichsten Pflegeleistungen zu decken, steht auf einem
anderen Blatt. Wunderdinge sollte niemand erwarten. Zugleich jedoch
sind die Pläne des Ministers ein gesellschaftliches Programm. Es will
nicht nur die Pflegeleistungen in Einrichtungen verbessern, mehr Zeit
für die Pflege einräumen, Bürokratie bei der Dokumentation abbauen,
die Zahl der Pflegenden und die Qualität der Pflege erhöhen, sondern
vor allem auch den pflegenden Angehörigen stärker unter die Arme
greifen. Denn sie tragen die Hauptlast der Pflege in Deutschland,
sind sozusagen die heimlichen Heldinnen und Helden des Systems. Und
dies zumeist unbezahlt, ohne Anerkennung, ohne Freizeit. Hier hat
Gröhe etwas bessere Unterstützung bei der Renten- und
Arbeitslosenversicherung für die Pflegenden geplant. Gut so, aber
viel zu wenig. Auf der anderen Seite jedoch jammern Arbeitgeber,
sicher auch mancher beitragszahlende Arbeitnehmer, über den künftig
steigenden Obulus für die Pflegeversicherung. Allerdings greift diese
Kritik an wenigen Zehntelprozentpunkten mehr an Beitrag sehr kurz.
Wer heute nicht bereit ist, einen überschaubaren Mehrbetrag für die
Pflege einzusetzen, muss sich fragen lassen, was denn seine
Alternativen für diese große gesellschaftliche Aufgabe sind? Das
Pflegeproblem einfach unter den Tisch kehren, geht - zum Glück -
nicht mehr.
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