Ostthüringer Zeitung: Jörg Riebartsch kommentiert: Die neue Kultur
des Zuhörens
Geschrieben am 11-09-2015 |
Gera (ots) - Archive oder die Speicherfunktion an Computern können
sehr gemein sein. Unterstützen sie das Gedächtnis doch vortrefflich;
zum Beispiel beim Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen
Landesregierung.
In diesem steht unter anderem drin, dass man in der Landespolitik
eine neue Kultur des Zuhörens und Mitmachens etablieren will. Was in
der Thüringer Lebenswirklichkeit darunter zu verstehen ist, weiß man
seit ein paar Tagen. Da hat nämlich der Freistaat seinen
Bürgermeistern und Landräten geschrieben, dass sie in amtlicher
Eigenschaft ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht ausüben
können. Weil es offenbar pressierte, wurde der zweiseitige Brief per
Telefax versandt. Die Betroffenen haben reagiert und der
verklausulierten Botschaft rasch einen Namen gegeben: Maulkorb.
"Wir bilden eine Landesregierung, die sich denen zuwendet, die
andere Überzeugungen und Ideen haben." Auch das steht bei Linken, SPD
und Grünen im Koalitionsvertrag. Aber es war wohl nicht so ernst
gemeint. Oder anders.
Für die Praxis hat die Landesregierung jedenfalls widerspenstigen
Bürgermeistern und Landräten sogar mit einer disziplinarischen
Maßregelung gedroht, wenn sie ihre Meinung äußern. Dabei dürfen es
die Verwaltungschef durchaus sagen, wenn sie beispielsweise
Anordnungen von Migrationsminister Dieter Lauinger zur Unterbringung
von Flüchtlingen in ihren Orten für weltfremd hielten. Er müsste
lernen das auszuhalten.
Eventuell ist es für die Mitglieder von Bodo Ramelows
Landesregierung sogar hilfreich, selbst immer wieder mal in den
eigenen Koalitionsvertrag zu schauen. Eine gewinnbringende Lektüre.
Denn von Dialog und gemeinsamen Wegen ist da nämlich die Rede.
Die nächste praktische Dialog-Übung kann schon sehr zeitnah beim
Schwerpunktthema Gebietsreform erfolgen. Es sei denn, das
Landesverwaltungsamt muss hier auch wieder schreiben, dass das mit
den Ämtern von Bürgermeistern und Landräten nichts zu tun hat. Aber
die können sich dann ja immer noch privat dazu äußern.
Pressekontakt:
Ostthüringer Zeitung
Redaktion Ostthüringer Zeitung
Telefon: +49 365 77 33 11 13
redaktion@otz.de
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