Weser-Kurier: Über den Parteitag der Grünen schreibt Norbert Holst:
Geschrieben am 22-11-2015 |
Bremen (ots) - Mit ihrem Parteitag in Halle wollten die Grünen ein
starkes Signal für das Wahljahr 2016 aussenden. Eine klare Botschaft
allerdings geht von diesem Treffen nicht aus. Die Partei ist gefangen
in den Themen dieser Tage: Flüchtlinge und Terror zwingen sie, Ideale
zu hinterfragen. Auch grüne Bürgermeister und Landräte beklagen, dass
ihre Gemeinden am Rand der Belastbarkeit angekommen sind, noch
weitere Migranten aufzunehmen. In ihrer Resolution zu den
Terroranschlägen in Paris betonen die Grünen das Primat einer
Verhandlungslösung, lassen sich aber für die Unterstützung von
Militärschlägen gegen die Terrorbande IS ein Hintertürchen offen. Die
Basis, das wurde in Halle ganz deutlich, tickt weiter links als die
eher pragmatisch orientierte Parteispitze. Diese Diskrepanz wurde in
Halle mit klugen Kompromissen und einer geschickten Regie
zugekleistert. Es wäre ja auch richtig dumm, mit offen ausgetragenen
Flügelkämpfen in ein Jahr mit fünf Landtagswahlen zu gehen. Rauflust,
wie sie momentan die Bremer Grünen üben, ist auf Bundesebene momentan
nicht sonderlich ausgeprägt. Doch wohin wollen die Grünen eigentlich?
Diese Frage bleibt offen. Entlarvend ist da eine Resolution. Titel:
"Grüner Aufbruch 2016". Der erste Satz klingt verheißungsvoll: "Wir
Grüne wollen die Welt verändern." Doch dann ist das Papier in weiten
Teilen eine Aufzählung von vermeintlichen Schnitzern der Großen
Koalition. Heiße Eisen wie Steuererhöhungen oder Veggie Day umschifft
es geschickt. Man hat aus dem Desaster der Bundestagswahl 2013
gelernt. Doch nach einem Aufbruch, nach wegweisenden Ideen und
Visionen, sucht man in dem Papier vergebens. Es ist das gegenwärtige
Dilemma der Ökopartei: Als Oppositionspartei im Bundestag wird sie
kaum noch wahrgenommen; die Regierungsbeteiligung in vielen
Bundesländern führt zu Kompromissen, die für die Partei Zündstoff
bergen - siehe Asylkompromisse im Bundesrat. Unüberhörbar waren in
Halle die Rufe nach "Grün pur" oder "zurück zu den Wurzeln". Es ist
ein Konflikt zwischen Herz und Verstand: Sich unbequemen Wahrheiten
stellen, um mitregieren zu können? Oder das grüne Biotop pflegen,
auch auf die Gefahr hin, auf der Oppositionsbank zu versauern?
Ergebnis offen.
Pressekontakt:
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