Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Bad Aibling/Aschermittwoch: Weil Reden nicht immer Silber und niemals Gold ist von Von Christian Kucznierz, MZ
Geschrieben am 09-02-2016 |
Regensburg (ots) - Am schwersten hatte sich die AfD mit der Absage
des politischen Aschermittwochs getan. "Viel Geld", habe man
ausgegeben, hieß es in einer ersten Reaktion, sogar Hotelzimmer habe
man gebucht. Und letztlich entscheiden sollte über die Absage die
umstrittene Parteichefin Frauke Petry selbst, hieß es. Man kann davon
halten, was man will. Zumindest hat die Partei nicht den Fehler
gemacht, als einzige an ihrem politischen Aschermittwoch
festzuhalten. Sie hätte damit ihr Image der menschlichen Härte und
zunehmenden Rücksichtslosigkeit gefestigt. Hätte sie danach in den
Umfragen immer noch zweistellige Beliebtheitswerte, man müsste sich
noch mehr Sorgen machen, als ohnehin. Die Absage der
"Hau-Drauf-und-Sauf"-Veranstaltung, die ein politischer
Aschermittwoch immer ist, war eine richtige Entscheidung. Niemand
kann ernsthaft Spaß an der Verunglimpfung des politischen Gegners
haben, an der teils derben Zuspitzung des politischen Programms, an
schäumenden Maßkrügen und schäumenden Rednern, wenn in Bayern
Menschen um ihre Angehörigen trauern. Es geht nicht, Politik
gegeneinander zu machen, wenn man in Trauer und im Schock vereint
steht. Der Aschermittwoch 2016 hatte ein Hauptthema: die Asyl- und
Flüchtlingspolitik. Er wäre ein Tag der Abrechnung geworden, weil CSU
und SPD schon länger nicht mehr an einem Strang ziehen, und die SPD
in Bayern auch Opposition zur Regierungspartei ist. Die AfD hätte
nach der bewussten Provokation, Flüchtlinge notfalls mit Waffengewalt
von der deutschen Grenze fernzuhalten, ein fast unendlich großes
Spielfeld für weitere Tabubrüche gehabt, frei nach dem Motto: Das
Schlimmste ist ja bereits gesagt - und von der Öffentlichkeit und
zugunsten der eigenen öffentlichen Wahrnehmung vielfach diskutiert
worden. Schlechte Publicity ist besser als gar keine: In diesem
Bewusstsein hätte die AfD gehandelt und die Lust an der Provokation,
die sie ohne Zweifel erkennen lässt, hätte ihr an diesem
Aschermittwoch zu einer ungeahnten medialen Aufmerksamkeit verholfen.
Bei aller Trauer um die Opfer des Zugunglücks: Dass eine Tragödie wie
in Bad Aibling die überhitzte politische Stimmung im Land auf einen
Schlag überlagert und die mittlerweile auf allen Seiten viel zu
lauten Rufe nach mehr dies und weniger das verstummen lässt, macht
Hoffnung. Die Fassungslosigkeit darüber, wie abrupt das Leben zu Ende
sein kann, zwingt zum Innehalten und bringt zum Nachdenken. Es ist
leider menschlich, dass es derartige Ereignisse braucht, um die
Zerbrechlichkeit und Endlichkeit anzuerkennen, die eigene, wie die
des Anderen. Politik ist die Gestaltung unseres Zusammenlebens, und
in der Absage des politischen Aschermittwochs ist diese Ur-Aufgabe
der Politik deutlich wie selten. Die Welt, wie wir sie gestern
geplant hatten, ist heute eben nicht mehr dieselbe. Darauf muss man
reagieren. Der Anstand gebietet es, vor dem Hintergrund des Leids und
aus Rücksicht auf die Leidenden keine Politik zu machen. Diesen
Anstand, den die Parteien quer durch alle Lager gezeigt haben, lassen
sie leider viel zu oft vermissen. Vielleicht öffnet dieses Erleben
zumindest ein wenig den Blick dafür, dass eine Geschichte und ein
Schicksal hinter jedem Menschen stecken, dass ihm Parolen und
Gepolter nie gerecht werden und dass er es verdient hat, geachtet und
gewürdigt zu werden, im Leben wie im Tod.
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Mittelbayerische Zeitung
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