Börsen-Zeitung: Negativzins-Rätsel, Marktkommentar von Dietegen Müller
Geschrieben am 04-03-2016 |
Frankfurt (ots) - Am 10. März wird sie es wieder tun: Zusätzliche
Liquiditätsmaßnahmen beschließen und den Einlagenzinssatz ausgehend
von -0,30% noch weiter in den negativen Bereich senken. Dies
zumindest erwartet der Markt von der Zinssitzung der Europäischen
Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Es ist inzwischen zur
Selbstverständlichkeit geworden, angesichts der gesunkenen
langfristigen Inflationserwartungen von weiteren Negativzinsen und
unkonventionellen Maßnahmen der Notenbanken auszugehen. Vor einigen
Jahren noch so gut wie ausgeschlossen, sind Negativzinsen heute in
immer mehr Ländern alltäglich geworden: Dänemark, Schweden, die
Schweiz und auch Japan sammeln Erfahrung mit Zinsen unterhalb der
Null-Linie. Alle diese Länder existieren immer noch, ihre Märkte
funktionieren, wenngleich im einen oder anderen Bereich vielleicht
nicht ganz reibungslos - aber der große Knall ist ausgeblieben.
Es scheint, als wäre dem Aktienmarkt die Aussicht darauf, dass
sich die Eurozone weiter in den negativen Bereich vortasten könnte,
gleichgültig. Der Kurseinbruch seit Jahresbeginn wird mit Verkäufen
von Staatsfonds aus ölexportierenden Länder und Korrelationseffekten
erklärt. Auch globale Wachstumssorgen spielen hinein. Doch
fundamental erwartet der Markt nicht viel anderes als vor einigen
Monaten. Aus Bewertungssicht hat sich erstaunlich wenig verändert.
Ein weiteres Umsichgreifen von Negativzinsen wäre nur ein Parameter
in der Gleichung, in der sonst offenbar alles beim alten zu bleiben
scheint.
Und doch gehen die Einschätzungen fundamental auseinander, was die
Marktentwicklung betrifft. Value-orientierte Investoren oder selbst
bisherige Untergangspropheten wie Marc Faber erwarten eine weitere
Erholung. Andere Stimmen warnen aber weiter vor allem vor
deflationären Risiken, dem durch die Niedrigzinsen angestiegenen
Schuldenberg in Schwellenländern und weiteren unkalkulierten
Nebenwirkungen unkonventioneller Geldpolitik.
Die aktuelle Bewertung spiegelt dabei eher die optimistische
Sicht. Derzeit billigt der Markt laut Daten von S&P Capital IQ dem
Dax ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,2 zu. Darin fließen die
für die nächsten zwölf Monate erwarteten Gewinne ein. Dieses Niveau
liegt deutlich unter den vor einem Jahr erreichten Werten von über
16. Eine attraktive Bewertung - gerade mit Blick auf die
Negativrenditen vieler erstklassiger Bonds. Auch im Vergleich sehen
deutsche Blue-Chips vorteilhaft aus, denn für die im S&P 350
enthaltenen 350 europäischen Blue-Chips, zu denen auch britische und
schweizerische Konzerne gehören, muss im Schnitt das 15fache des
erwarteten Gewinns zugestanden werden.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich jedoch, wenn auch das erwartete
Gewinnwachstum einbezogen wird. Die verfeinerte Variante des KGV -
die so genannten Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis oder PEG - zeigt,
dass der Dax so teuer ist wie vor dem Kursrutsch. Die PEG setzt den
Kurs ins Verhältnis zum erwarteten Gewinn, der wiederum zum
erwarteten Gewinnwachstum in Relation gesetzt wird. Auch wenn die PEG
fehlerbehaftet ist, und sich eher für wachstumsstarke Unternehmen
eignet, signalisiert sie zumindest in ihrem Trend Annahmen über die
Wachstumserwartung.
Erstaunlich ist, dass die PEG für den Dax implizit ein
Gewinnwachstum um die 11% erwarten lässt - etwa so hoch wie vor einem
Jahr. Für den S&P 350 wird ein Plus von 9% angenommen. Der Markt ist
für deutsche Unternehmen also zuversichtlicher. Dabei zeigt die
Bewertung gemessen an der Wachstumserwartung im S&P 350 seit 2012
nach oben, und auch der Dax ist seit Oktober eher wieder etwas teurer
geworden.
Was bedeutet es aber, wenn die Zinsen in der Eurozone tatsächlich
stärker in den negativen Bereich fallen würden? Sind die
Wachstumsprognosen für die Unternehmensresultate dann noch zu halten?
Oder signalisieren Negativzinsen eine neue Phase mit womöglich
schrumpfenden Gewinnen? Wie sollen Negativzinsen überhaupt in den
gängigen Bewertungsmodellen berücksichtigt werden?
Dieses Rätsel muss noch gelöst werden. Der Markt mag derzeit von
Negativzinsen ausgehen, aber er erwartet kein Negativwachstum in den
Gewinnen der Blue-Chips. Vielleicht, weil die robusten
US-Arbeitsmarktdaten zeigen, wie gut die amerikanische Wirtschaft
sich trotz aller Bedenken gehalten hat. Doch dies bringt ein weiteres
Problem aufs Tapet: Das Zinsgefälle auf beiden Seiten des Atlantiks
könnte sich vergrößern. Für risikoreiche Assets bleiben die Zeiten
unruhig.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
586478
weitere Artikel:
- Isotropic Systems revolutioniert die Satellitenantennentechnologie London (ots/PRNewswire) -
Das Unternehmen sichert zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 1
Million USD zur Entwicklung einer höchst effizienten
Satellitenantenne mit einer Konnektivität für hohe Datendurchsätze
Die Isotropic Systems Limited (ISL) sicherte zusätzliche
Finanzmittel in Höhe von 1 Million USD, um eine Revolution der
Satellitenantennentechnik einzuläuten, die den Anschluss hoher
Datendurchsätze für die Mobilmärkte erlaubt. ISL wird Antennen
konstruieren und entwickeln, welche die geläufigsten
Herausforderungen mehr...
- STIHL weiht Neubauten für 90 Millionen Euro ein (FOTO) Waiblingen (ots) -
- Ministerpräsident Winfried Kretschmann begrüßt Bekenntnis zum
deutschen Stammsitz
- Investition in Kernkompetenzen: Innovationskraft und hohe
Produktqualität
Am 4. März 2016 weihte STIHL die jüngsten Investitionen am
Standort Deutschland ein: den Erweiterungsbau des
Entwicklungszentrums und den Neubau der Produktionslogistik in
Waiblingen-Neustadt. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel betonte in
einer Video-Grußbotschaft zur Einweihungsfeier: "Mit der Erweiterung
Ihres Entwicklungszentrums mehr...
- AiRISTA gibt Übernahme von Ekahau RTLS bekannt Sparks, Maryland (ots/PRNewswire) - AiRISTA Flow, ein
Tochterunternehmen von AiRISTA und weltweit führend in WLAN-fähigen
Ortungsdiensten und Workflow-Software-Lösungen, hat heute die
Übernahme von Ekahau RTLS (Reston, Virginia) und Ekahau RTLS
International (Helsinki, Finnland) bekannt gegeben.
Mit innovativen Produkten und patentierten Technologien ist Ekahau
in der ganzen Welt dafür bekannt, zukunftsorientierten Organisationen
in der Gesundheitsbranche und in vielen anderen Branchen hochwertige
Lösungen zu bieten. Michel Wendell, mehr...
- Abgasskandal: VW bestreitet Manipulation in einem Schadensersatzprozess Lahr (ots) - Die Volkswagen AG stellt in einer Klageerwiderung zur
Überraschung des Klägers in der von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH bereits im Oktober 2015 erhobenen und
bundesweit ersten Klage das Vorliegen einer Manipulation an den EA
189 Motoren in Frage. Es wird seitens VW von einer vermeintlichen
"Manipulation" und von einem vermeintlichen "Mangel" gesprochen. Dies
kann nur so verstanden werden, dass VW die Manipulation als solche in
dem gerichtlichen Verfahren bestreitet.
Die Klage richtet mehr...
- Der Tagesspiegel: EU will mehr Verbraucherschutz bei Vergleichsportalen Berlin (ots) - Mit einem "Zehn-Punkte-Programm" will die
EU-Kommission den Verbraucherschutz bei Internet-Vergleichsportalen
verbessern. Die Prinzipien sollen in die EU-Richtlinie gegen
unlauteren Wettbewerb einfließen, "das Ziel ist, die Durchsetzung
dieser Richtlinie zu verbessern", sagte eine Sprecherin der
EU-Kommission dem Tagesspiegel (Samstagausgabe).
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an: Der Tagesspiegel,
Wirtschaftsredaktion, Telefon: 030/29021-14606
Pressekontakt:
Der Tagesspiegel
Chefin vom Dienst
Patricia mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|